Was am See geschah
Glas kaufte. Jeder Gegenstand war langsam und sorgfältig, beinahe ehrfürchtig, in Seidenpapier gewickelt worden, während alle Verkäuferinnen leise über das Wetter und das College und über La Porte sprachen.
Im Laden war es dunkel und kühl, und als er auf das sonnengebleichte Pflaster heraustrat, bekam er einen Schock.
Er war besorgt und traurig - besorgt, weil er das ganze Geld für Sachen ausgegeben hatte, die seine Mutter nie benutzte. Sie trug keine Handschuhe oder Nylonschals. Und als das Glas in der Schachtel verstaut und mit einem weißen Emporium-Siegel verschlossen wurde, hatte er bemerkt, daß es doch kein Martini- sondern ein Sektglas war. Es zurückzugeben, es wieder der netten Frau mit dem weißen Kragen zu reichen, das war jedoch ebenso undenkbar, wie die Traurigkeit, die er beim Blick zurück auf den Laden empfand, unaussprechlich war. Man sah, daß es dem Untergang geweiht war.
Sechs Monate später hatte das Emporium plötzlich zugemacht. Jeden Tag kaufte er sich das Banner, die Lokalzeitung von Hebrides, um die Anzeigen zu lesen, und war dann erleichtert wie einer, der einen Krankenbesuch gemacht und festgestellt hat, daß der Patient noch lebt. Dann verschwanden die Anzeigen, und er suchte die ganze Zeitung nach irgendeinem Hinweis ab. Ja: da stand die bittere Nachricht, daß das Emporium Konkurs angemeldet hatte. Wenn er auch wußte, daß es vermutlich Einbildung war: er meinte, einen selbstgerechten, höhnischen Ton in dem düsteren, kurzen Bericht über die Geschichte des Ladens zu entdecken, einen Ton, der hämisch feststellte, daß die Stadt dieses gräßliche Gespenst von der Ecke Walnut und Beech Street nun endlich doch noch vertrieben hatte.
Chad war mit dem Bus zu dieser Ecke im Geschäftsviertel von Hebrides gefahren. Der Laden war mit einem Vorhängeschloß versehen, die Fenster blind, mit Brettern vernagelt, alle Rolläden heruntergelassen, als gäbe es hier etwas Unanständiges zu sehen.
Er konnte seiner Mutter die Geschichte, die sich hinter diesen Geschenken verbarg, nicht erzählen; er wollte nicht unmännlich erscheinen. Als sie erst das eine und dann das andere Päckchen öffnete (das mit den Handschuhen und dem Schal), sagte er schnell, daß sie im Winter Handschuhe brauche, daß sie sie anziehen solle und den Schal auch. Aber sie gab sich keine große Mühe. Er warf ihr rasch einen Blick zu und sah in ihrem Blick und ihrem Lächeln den Schatten der Enttäuschung. Schließlich hatte sie Andeutungen gemacht, um es ihm zu erleichtern: kleine Dinge wie Schuhcreme, und wo hatte sie bloß ihre Nagelhautschere hingetan und so weiter. Dann packte sie das Glas aus und starrte es eine Zeitlang an. Stand auf und ging in die Küche. Als sie zurückkam, hatte sie eine Flasche Champagner in der Hand. »Wie bist du da bloß draufgekommen?« Doch ihre Stimme gewann den erwartungsvollen Klang, den sie vor dem Öffnen der Geschenke besessen hatte, nur teilweise zurück. Lächelnd schenkte sie den Champagner in die Sektflöte und sagte: »Tut mir leid, aber du kriegst jetzt das Wasserglas.«
Auch sein Lächeln wirkte niedergeschlagen; er hatte versagt; er hatte sie und sich selbst enttäuscht. Die Enttäuschung verwandelte sich in Trotz, und beide zogen sich ins Schweigen zurück. Schließlich, nachdem sie die Handschuhe mehrmals anprobiert und den Schal ausgeschüttelt hatte, erzählte sie von den Geschenken, die sein Vater ihr immer gemacht hatte. Immer irgendwas, was ihm in letzter Sekunde eingefallen war...
Aber sah sie denn nicht, das seine ganz anders waren?
Dennoch fragte er sich, warum er seiner Mutter - wo er sich doch im Emporium die ganze Zeit auf ihre Wünsche konzentriert hatte - Sachen gekauft hatte, die ihr nicht gefielen.
All das ging ihm in dem Augenblick, als Eva Bond sich vom Fenster abwandte und ihm zunickte, durch den Kopf.
Als er sie ansah, wie sie in dieser königlichen Designerrobe und dem erbärmlichen Mantel vor ihm stand, hatte er seinen einzigen glasklaren Gedanken - daß diese Mrs. Bond nicht die gleiche Frau war, die ihn auf der Treppe begrüßt hatte, und sie möglicherweise nie gewesen war.
»Warum haben Sie den Mantel an?« Er platzte damit heraus, um die Verwirrung zu verbergen, die dieser einzige klare Moment in ihm verursacht hatte.
Sie lächelte ein wenig, während sie an sich hinabsah. »Oh, zum Spazierengehen. Die meisten Gäste sind gegangen.« Sie näherte sich dem Schreibtisch. Ihre Hand schloß sich um den Rücken eines dicken Buches, das
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