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Was am See geschah

Was am See geschah

Titel: Was am See geschah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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schmalgesichtigen, freundlichen Mädchen namens Paula gehabt, das nervös und in jeder Beziehung unauffällig war - abgesehen von ihrem Verstand (dem Verstand eines Biochemikers) und ihrer Freundlichkeit. Sie war eine von denen, die während eines Blizzards nach einer entlaufenen Katze suchen. Und weil sie weder schön noch sexy war, verbreitete sich dann wohl das Gerücht, daß Zero wahrscheinlich schwul war, ein Gerücht, das eine der drei oder vier gutaussehenden Frauen hätte zerstreuen können, mit denen Zero sehr kurz zusammen war, ehe er sie abhakte, als entwerte er einen Scheck. Sie wollten das Gerücht nicht zum Verstummen bringen. Als es Zero eines Nachts bei Mooneys zu Ohren kam, stieß er sein Bier um, und Chad machte sich schon auf eine weitere Szene im Quicklunch gefaßt. Aber Zero erstickte fast vor lauter Lachen. »Ich kann mir schon vorstellen, wer das unter die Leute gebracht hat«, sagte er. »Dieser kastrierte Quarterback, der’s nur auf dem Footballplatz bringt.«
    Zero haßte schöne Frauen.
    In jener Märzwoche war Zero, ehe Chad an seine Tür hämmerte, kein einziges Mal ans Telefon gegangen. Sein Porsche stand auf seinem Platz; Chad nahm an, daß Zero in der Wohnung sein mußte.
    Es war stockdunkel. Zero hatte »Herein« gerufen. Obwohl Chad aus der Dunkelheit eines dämmerigen Märztages hereinkam, hatte er blinzeln müssen, um die Umrisse von Sofa, Schrank und Zero, der vor einem Spieltisch-Set am Fenster saß, zu erkennen. Er starrte ins Leere, das heißt auf ein paar dunkle, unbelaubte Bäume hinaus.
    »Na, Chad«, sagte Zero, als ob sie sich seit Stunden unterhalten hätten und nun die Zusammenfassung käme.
    »Wo, zum Teufel, warst du?«
    »Ich hab hier gesessen und geraucht. Und getrunken.« Er hob die Flasche Jameson Black Bush in die Höhe.
    »Das ist alles?« Chad sah sich im Zimmer um, soweit das bei diesem Licht möglich war. »Kein Koks? Nicht mal ’n bißchen Pot?«
    »Ich nehm keine Drogen. Hab nie welche genommen. Das weißt du doch.«
    Es stimmte. Und er hatte auch nicht betrunken geklungen. Noch nie. In einem anderen Zimmer klingelte das Telefon. Chad starrte ihn an. »Gehst du nicht hin?«
    »Das erledigt der Anrufbeantworter«, sagte Zero zum Fenster.
    Das Klingeln hörte auf. Der schwache, metallische Klang einer Stimme lief auf das Band.
    »Schon wieder Eva. Sie ruft dauernd an. Das ist schon das, ach, achte oder neunte Mal.«
    Chad ärgerte sich. Er selber hatte bestimmt fünfmal angerufen. Gut, wenn Zero sich vergraben wollte, dann war das allein seine Sache. Aber das ging nun schon eine Woche so, und schließlich war sie seine Mutter... »Warum gehst du nicht ran, verdammt noch mal? Deine Mom dreht wahrscheinlich durch.«
    Die Stille und die Dunkelheit vertieften sich, als Zero zu ihm herüberschaute. »Meine ›Mom‹? Eva?« Er lächelte ein wenig. »Wie ist es denn mit deiner Mom?«
    »Wie?«
    »Wie ist sie?«
    »Hab ich dir doch erzählt.« Chad war unbehaglich zumute.
    Zero schnippte mit dem kleinen Finger die Asche von der Zigarette. »Sie liest Gedichte und strampelt sich in ’nem Eßlokal einen ab, damit du Französisch schwänzen und Pot rauchen kannst.«
    Der Blick, den er Chad aus verrauchten Augen und unter dunklen Brauen hervor zuwarf, war vernichtend. Chad war zutiefst getroffen. Und mehr als nur ein bißchen verärgert. »Wer, zum Teufel, gibt dir das Recht, mein Leben zu beurteilen? Mit deinem scheinst du ja nicht so gut klarzukommen.« Sofort tat es ihm leid. Zero, der diese milde Attacke nicht übelnahm und sich offensichtlich auch nicht dafür interessierte, drehte das Gesicht zu den wäßrigen Fensterscheiben und den laublosen Bäumen hin, vor denen, von der Kugel der Straßenlaterne beleuchtet, langsam der Schnee fiel. Und in diesem Augenblick gewann er einen ganz anderen Eindruck von Zero - dem Zero der Kaschmirmäntel, der Seidenschals, der italienischen Anzüge, des Porsche-Kabrios. In diesem Augenblick wußte Chad, daß Zero überhaupt keinen Bezug zu den Dingen der Welt hatte.
    »Mensch, hör mal...« begann Chad.
    »Hau ab, okay?« In seinem Ton lag keinerlei Feindseligkeit, er war fast freundlich.
    Aber Chad ging nicht. Er setzte sich an den Tisch, ohne daß Zero seine Anwesenheit zu bemerken schien, goß sich einen Schuß Jameson ins Glas, sah sich im Zimmer um und überlegte, was er sagen könnte. Doch der Raum verriet nichts, und Chad hatte wieder einmal (denn er war viele Male hier gewesen) das seltsame Gefühl, daß die Stück für

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