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Was aus den Menschen wurde: Meisterwerke der Science Fiction - Mit einem Vorwort von John J. Pierce (German Edition)

Was aus den Menschen wurde: Meisterwerke der Science Fiction - Mit einem Vorwort von John J. Pierce (German Edition)

Titel: Was aus den Menschen wurde: Meisterwerke der Science Fiction - Mit einem Vorwort von John J. Pierce (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cordwainer Smith
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anderen ihn auch verstehen sollten. »Ich habe getötet, Ma’am«, sagte er. »So wie immer – mit Liebe. Diesmal nach einem System.«
    Elaine und H’jeanne schlüpften durch die Tür, während die protestierende Stimme der Lady Arabella, erfüllt von Autorität und Argwohn, noch immer auf den Jäger eindrang.
    H’jeanne ging voraus. Ihr Körper war der Körper eines hübschen Kindes, aber ihre Persönlichkeit war die Gesamtheit aller Untermenschen, die ihr aufgeprägt worden waren. Elaine konnte es nicht wissen, denn H’jeanne war noch immer das kleine Hundemädchen, aber gleichzeitig war sie nun auch Elaine und der Jäger. Es gab keinen Zweifel an ihrem Ziel; das Kind, das nicht mehr länger ein Untermädchen war, ging voraus, und Elaine, ob nun menschlich oder nicht, folgte ihr.
    Hinter ihnen schloss sich die Tür. Sie befanden sich wieder in dem braun-gelben Gang. Viele der Untermenschen erwarteten sie bereits. Dutzende starrten sie an. Die drückenden menschlich-tierischen Gerüche des Tunnels überrollten Elaine wie träge, schwere Wellen. Sie spürte an ihren Schläfen beginnende Kopfschmerzen, aber sie war viel zu aufgeregt, um sich darum zu kümmern.
    Für einen Moment standen H’jeanne und Elaine den Untermenschen gegenüber.
    Viele von Ihnen haben bestimmt schon einmal Gemälde oder Theaterstücke gesehen, die auf dieser Szene beruhen. Das berühmteste aller Bilder ist zweifellos die fantastische »Einlinien-Zeichnung« von San Shigonanda – der Hintergrund ist fast gleichmäßig grau, mit einem Hauch Braun und Gelb auf der linken und einem Hauch Schwarz und Rot auf der rechten Seite, und in der Mitte diese seltsame weiße Linie, fast ein Versehen, die irgendwie das verwirrte Mädchen Elaine und das zum Leiden auserkorene Kind H’jeanne andeutet.
    Natürlich war Charley-mein-Liebling der Erste, der seine Sprache wiederfand. (Elaine sah in ihm nicht mehr den Ziegenmann. Er war für sie jetzt ein ernster, freundlicher Mann mittleren Alters, der tapfer gegen seinen schlechten Gesundheitszustand und ein unsicheres Leben ankämpfte. Sein Lächeln erschien ihr nun gewinnend und charmant. Warum, fragte sich Elaine, habe ich ihn nicht schon vorher auf diese Art gesehen? Habe ich mich verändert?)
    Charley-mein-Liebling hatte gesprochen, bevor Elaine ihre Gedanken wieder bei sich hatte. »Er hat es getan. Bist du H’jeanne?«
    »Bin ich H’jeanne?«, sagte das Mädchen – fragte sie die vielen deformierten, unheimlichen Geschöpfe in dem Tunnel. »Glaubt ihr, dass ich H’jeanne bin?«
    »Nein! Nein! Du bist die Lady, die verheißen wurde – du bist die Brücke-zum-Menschen«, rief eine große, blondhaarige alte Frau, an die sich Elaine nicht erinnern konnte. Die Frau fiel vor dem Kind auf die Knie und versuchte, H’jeannes Hand zu ergreifen. Das Kind hielt die Hände hoch, ruhig, aber bestimmt, so dass die Frau ihr Gesicht im Rock des Mädchens barg und weinte.
    »Ich bin Jeanne«, sagte das Mädchen, »und ich bin kein Hund mehr. Ihr seid nun Menschen, ihr seid Menschen, und wenn ihr jetzt mit mir sterbt, dann sterbt ihr als Wahre Menschen. Ist es so nicht besser als zuvor? Und du, Ruthie …« Sie blickte auf die Frau zu ihren Füßen. »Steh auf und hör auf zu weinen. Sei glücklich. Dies sind die Tage, an denen ich bei dir sein werde. Ich weiß, dass man dir deine Kinder fortgenommen und getötet hat, Ruthie, und ich bin traurig. Ich kann sie dir nicht zurückbringen. Aber ich mache dich zur Frau. Ich habe sogar aus Elaine einen Menschen gemacht.«
    »Wer bist du?«, fragte Charley-mein-Liebling. »Wer bist du?«
    »Ich bin das kleine Mädchen, das ihr erwählt habt, entweder zu leben oder zu sterben. Aber nun bin ich Jeanne und nicht H’jeanne, und ich bringe euch eine Waffe. Ihr seid Frauen. Ihr seid Männer. Ihr seid Menschen. Ihr könnt die Waffe benutzen.«
    »Was für eine Waffe?« Es war Crawlies Stimme; sie drang aus der dritten Reihe der Zuschauer.
    »Leben und miteinander leben«, sagte das Kind Jeanne.
    »Sei keine Närrin«, fauchte Crawlie. »Was ist das schon für eine Waffe! Gib uns keine Worte. Wir haben schon genug Worte und den Tod gehabt, seit die Welt der Untermenschen besteht. So etwas geben uns Menschen  – gute Worte, hübsche Prinzipien und kalten Mord, Jahr für Jahr, Generation für Generation. Sag mir bloß nicht, dass ich ein Mensch bin – ich bin kein Mensch. Ich bin ein Bison, und ich weiß es. Ein Tier, das so umgewandelt wurde, dass es wie ein Mensch

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