Was aus den Menschen wurde: Meisterwerke der Science Fiction - Mit einem Vorwort von John J. Pierce (German Edition)
aussieht. Gib mir etwas, mit dem ich töten kann. Lass mich im Kampf sterben.«
Jeanne sah merkwürdig aus mit ihrem jungen Körper und ihrer kleinen Gestalt, und sie trug noch immer das blaue Kittelkleid, in dem Elaine sie zum ersten Mal gesehen hatte. Sie bestimmte das Geschehen. Sie hob ihre Hand, und das Summen der leisen Stimmen, die sich während Crawlies Geschrei erhoben hatten, brach ab und Stille trat wieder ein.
»Crawlie«, sagte Jeanne mit einer Stimme, die durch den ganzen Raum drang, »Friede sei mit dir in Ewigkeit.«
Crawlie runzelte die Stirn. Sie hatte den Anstand besessen, während Jeannes Worte verwirrt dreinzuschauen, aber sie sagte nichts.
»Sprecht nicht mit mir, liebe Menschen«, fuhr Jeanne fort. »Gewöhnt euch erst an mich. Ich bringe euch das Leben miteinander. Es ist mehr als nur Liebe. Liebe ist ein hartes, trauriges, schmutziges Wort, ein kaltes Wort, ein altes Wort. Es verspricht zu viel und hält so wenig. Ich bringe euch etwas, das größer ist als Liebe. Wenn ihr lebt, dann lebt ihr. Wenn ihr miteinander lebt, dann wisst ihr auch, dass es das andere Leben gibt – beide Seiten von euch, jeder von euch, ihr alle. Unternehmt nichts. Greift nicht gierig zu, umklammert nicht, besitzt nicht. Seid einfach. Das ist die Waffe. Es gibt kein Feuer und kein Gewehr und kein Gift, das sie aufhalten kann.«
»Ich möchte dir glauben«, sagte Mabel, »aber ich weiß nicht, wie ich das tun soll.«
»Ihr müsst mir nicht glauben«, erklärte Jeanne. »Wartet nur und lasst die Dinge ihren Lauf nehmen. Lasst mich vorbei, ihr guten Leute. Ich muss eine Weile schlafen. Elaine wird mich während des Schlafes bewachen, und wenn ich aufstehe, dann werde ich euch verraten, warum ihr keine Untermenschen mehr seid.«
Jeanne machte einen Schritt vorwärts …
Ein wildes, heulendes Kreischen gellte durch den Tunnelgang, und jeder blickte sich nach seinem Ursprung um. Es klang fast wie das Kreischen eines Kampfvogels, aber das Geräusch war aus ihrer Mitte entstanden.
Elaine entdeckte es zuerst.
Crawlie hatte ein Messer, und als der Schrei abbrach, warf sie sich auf Jeanne.
Das Kind und die Frau stürzten zu Boden, ihre Kleider waren ein einziges Knäuel. Die große Hand erhob sich zweimal, und als das Messer zum zweiten Mal zustieß, färbte sich die Klinge rot.
An dem heißen stechenden Schmerz in ihrer Seite erkannte Elaine, dass sie einen der Stiche abbekommen hatte. Sie wusste nicht, ob Jeanne noch lebte.
Die Untermänner rissen Crawlie von dem Kind fort.
Crawlie war weiß vor Wut. »Worte, Worte, Worte. Sie wird uns alle mit ihren Worten umbringen.«
Ein großer, dicker Mann mit der Schnauze eines Bären in dem sonst menschlichen Gesicht und einem menschlichen Kopf und Körper ging um den Mann herum, der Crawlie festhielt, und versetzte ihr einen schrecklichen Schlag. Bewusstlos stürzte sie zu Boden. Das Messer, ganz mit Blut verschmiert, fiel auf den alten, abgenutzten Teppich. (Automatisch dachte Elaine: Für sie später ein Stärkungsmittel; Halswirbeluntersuchung; Blutverlust kein Problem.)
Dann, zum ersten Mal in ihrem Leben, fungierte Elaine als tüchtige Hexe. Sie half den Leuten, der kleinen Jeanne die Kleider auszuziehen. Der schmale Körper mit dem dicht unter der Brust hervorsprudelnden dicken, dunkelroten Blut war verletzt und wirkte sehr zerbrechlich. Elaine griff in ihre linke Handtasche und holte eine chirurgische Radarsonde heraus, hielt sie vor ihr Auge und kontrollierte die Hautschichten um die Wunde. Das Bauchfell war perforiert, die Leber zerschnitten, die oberen Windungen des Dickdarms waren an zwei Stellen durchlöchert. Als sie das sah, wusste sie, was sie zu tun hatte. Sie scheuchte die Umstehenden fort und machte sich an die Arbeit.
Zuerst klebte sie die Schnitte zusammen, wobei sie mit der Leberverletzung begann. Jeder Anwendung des organischen Klebstoffes ging eine Sprühbehandlung mit ein wenig Rekodierungspulver voraus, das dazu diente, die Selbstheilungskräfte des verletzten Organs zu unterstützen. Das Sondieren, Pressen, Drücken dauerte elf Minuten. Noch bevor Elaine fertig war, erwachte Jeanne und flüsterte: »Sterbe ich?«
»Aber nein«, beruhigte Elaine sie. »Wenn nicht diese menschlichen Arzneien dein Hundeblut vergiften.«
»Wer war es?«
»Crawlie.«
»Warum?«, fragte das Kind. »Warum denn nur? Ist sie auch verletzt? Wo ist sie?«
»Ihr geht es im Augenblick besser, als es ihr später gehen wird«, versicherte Charley-mein-Liebling.
Weitere Kostenlose Bücher