Was aus den Menschen wurde: Meisterwerke der Science Fiction - Mit einem Vorwort von John J. Pierce (German Edition)
sie. Manchmal hören sie plötzlich zu sprechen auf und sterben, gleichgültig, was wir für sie tun. Du kannst nicht einfach behaupten, dass das nicht real ist!«
»Aber ich tue es trotzdem«, entgegnete Lord Sto Odin.
»Was tust du?«, rief Mmona.
»Ich behaupte, dass dieses Glück nicht real ist.«
»Wie kannst du das angesichts der Beweise? Beweise, die wir von der Instrumentalität für gültig erklärt haben. Können wir, kann sich die Instrumentalität denn geirrt haben?«
»Ja«, sagte Lord Sto Odin.
Das war der Moment, in dem die gesamte Runde in Schweigen verfiel.
Sto Odin sprach weiter: »Schaut euch meine Beweise an. Den Menschen ist es völlig gleich, ob sie nun Ein-Väter oder Ein-Mütter sind oder nicht. Sie wissen nicht, welche Kinder von ihnen sind. Niemand wagt es, Selbstmord zu begehen. Wir machen sie zu glücklich. Aber haben wir auch jemals nur den Versuch gemacht, die sprechenden Tiere, die Untermenschen, so glücklich wie die Menschen zu machen? Und begehen Untermenschen Selbstmord?«
»Sicher«, nickte Mmona. »Sie sind dazu bestimmt, Selbstmord zu begehen, wenn sie für eine schnelle Reparatur zu schwer verletzt sind oder wenn sie an der ihnen zugeteilten Aufgabe scheitern.«
»Das meine ich nicht. Begehen sie jemals Selbstmord aus eigenem Antrieb, nicht weil wir sie so programmiert haben?«
»Nein«, erwiderte Lord Nuru-or, ein weiser junger Lord der Instrumentalität. »Sie sind viel zu sehr damit beschäftigt, ihrer Arbeit nachzugehen und am Leben zu bleiben.«
»Wie lange lebt ein Untermensch?«, fragte Sto Odin mit vorgetäuschter Sanftmut.
»Was weiß ich«, sagte Nuru-or. »Ein halbes Jahr, hundert Jahre, vielleicht mehrere Jahrhunderte.«
»Und was geschieht, wenn sie ihre Arbeit nicht erledigen ?«, wollte Sto Odin weiter wissen und schenkte ihnen ein freundliches, verschmitztes Lächeln.
»Wir oder unsere Roboterpolizisten töten sie«, antwortete Mmona.
»Und wissen das die Tiere?«
»Ob sie wissen, dass sie getötet werden, wenn sie nicht arbeiten?«, sagte Mmona. »Natürlich. Allen sagen wir dasselbe. Arbeite oder stirb. Aber was hat das Ganze mit den Menschen zu tun?«
Lord Nuru-or war still geworden, und ein weises, trauriges Lächeln tauchte auf seinem Gesicht auf. Er begann zu ahnen, auf welch schreckliches Fazit Lord Sto Odin hinauswollte.
Aber Mmona erkannte es nicht, sondern beharrte auf ihrer Ansicht. »Mylord«, sagte sie, »du behauptest ebenfalls, dass die Menschen glücklich sind. Du gibst zu, dass sie nicht unglücklich sein wollen. Du scheinst auf ein Problem aufmerksam machen zu wollen, für das es keine Lösung gibt. Warum sollte man sich über Glück beklagen? Ist das nicht das Beste, was die Instrumentalität für die Menschheit tun kann? Willst du damit andeuten, dass wir darin versagen?«
»Ja, wir versagen.« Sto Odin sah mit leerem Blick vor sich hin, als sei er allein in dem Raum.
Er war der Älteste und Weiseste, und deshalb warteten sie, dass er weitersprechen würde.
Er holte ein wenig Atem und lächelte ihnen dann wieder zu. »Ihr wisst, wann ich sterben werde?«
»Natürlich«, erklärte Mmona und dachte eine halbe Sekunde lang nach. »In genau siebenundsiebzig Tagen. Aber du hast den Zeitpunkt selbst festgesetzt. Und es ist nicht Brauch, Mylord, wie du weißt, private Angelegenheiten auf Versammlungen der Instrumentalität zu besprechen.«
»Entschuldigt«, sagte Sto Odin, »aber ich verletze kein Gesetz. Ich will auf etwas Bestimmtes hinaus. Wir sind vereidigt, die Würde des Menschen zu bewahren. Und dennoch töten wir die Menschheit mit einschmeichelndem hoffnungslosem Glück, das Nachrichten verbietet, Religion unterdrückt, aus der Geschichte ein Staatsgeheimnis macht. Ich will damit sagen, alles deutet darauf hin, dass wir versagt haben und dass die Menschheit, die zu fördern wir geschworen haben, ebenfalls versagt. Es fehlt ihr an Vitalität, Kraft, Zahl, Energie. Ich habe nur noch kurze Zeit zu leben. Ich werde versuchen, mir Gewissheit zu verschaffen.«
Lord Nuru-or fragte mit ahnungsvoller Sorge in der Stimme, als ob er die Antwort bereits kannte: »Und wohin willst du dich wenden, um es herauszufinden?«
»Ich werde«, erklärte Sto Odin, »hinunter in das Gebiet gehen.«
»Das Gebiet – o nein!«, riefen einige. Und eine Stimme fügte hinzu: »Du bist unantastbar.«
»Ich werde auf meine Unantastbarkeit verzichten, und ich werde hinuntergehen«, sagte Sto Odin. »Wer kann schon einem Menschen etwas antun,
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