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Was aus den Menschen wurde: Meisterwerke der Science Fiction - Mit einem Vorwort von John J. Pierce (German Edition)

Was aus den Menschen wurde: Meisterwerke der Science Fiction - Mit einem Vorwort von John J. Pierce (German Edition)

Titel: Was aus den Menschen wurde: Meisterwerke der Science Fiction - Mit einem Vorwort von John J. Pierce (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cordwainer Smith
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ließen, unterschieden sich in nichts von den Wahren Menschen oben auf der Erde. Ein überwältigend schönes Mädchen schenkte mir einen Blick, der mir missfiel – keck, intelligent und über alle normalen Grenzen des Flirtens hinaus aufreizend. Ich vermutete, dass sie von Hunden abstammte. Von allen Homunkuli neigen die H-menschen am meisten dazu, sich Freiheiten herauszunehmen. Sie haben sogar einen Hundemensch-Philosophen, der einst ein Band mit der Behauptung herausgegeben hat, dass die Hunde die ältesten Gefährten des Menschen und ihnen deshalb näher als alle anderen Lebensformen seien. Als ich mir das Band ansah, hielt ich es für amüsant, dass ein Hund die Gestalt von Sokrates verliehen bekommen hatte; hier, im obersten Untergrund, war ich mir dessen nicht mehr so sicher. Was sollte ich tun, wenn einer von ihnen frech wurde? Ihn töten? Das hätte einen Gesetzesbruch bedeutet und mir ein Verhör mit den Subbeamten der Instrumentalität eingebracht.
    Virginia bemerkte von alledem nichts.
    Sie hatte meine Frage nicht beantwortet, sondern stellte mir ihrerseits Fragen über den oberen Untergrund. Ich war bisher nur einmal da gewesen, als ich noch klein war, aber es schmeichelte mir, ihre fragende, heisere Stimme zu hören.
    Dann geschah es.
    Zuerst hielt ich ihn für einen Menschen, der nur durch irgendeinen Umstand der unterirdischen Beleuchtung so verkürzt erschien. Aber als er näher kam, erkannte ich, dass er kein Mensch war. Er musste an den Schultern gut anderthalb Meter breit sein. Hässliche rote Narben an der Stirn verrieten, wo man ihm die Hörner vom Schädel gelöst hatte. Er war ein Homunkulus, offensichtlich aus Rindern gezüchtet. Offen gesagt hatte ich nicht gewusst, dass man sie auch in so unvollkommener Gestalt leben ließ.
    Und er war betrunken.
    Während er sich näherte, fing ich das Gesumm seiner Gedanken auf … Sie sind keine Menschen, sie sind keine Hominiden, und sie sind nicht wie wir – was treiben sie hier? Was sie denken, verwirrt mich … Er hatte noch nie auf Französisch telepathiert.
    Das war eine schlimme Sache. Wenn er gesprochen hätte, wäre das nichts Ungewöhnliches gewesen, aber nur wenige Homunkuli waren telepathisch begabt – so wie die, die Spezialarbeiten im Tiefunten-tiefunten erledigen mussten, wohin nur die Telepathie Instruktionen übermitteln konnte.
    Virginia drückte sich an mich.
    Ich dachte in klarer Alter Sprache: Wir sind Wahre Menschen. Du musst uns vorbeilassen.
    Die einzige Antwort war ein Gebrüll. Ich weiß nicht, wo er sich betrunken hatte oder womit, aber er fing meine Botschaft nicht auf.
    Ich bemerkte, wie sich seine Gedanken in Panik, Hilflosigkeit, Hass verwandelten. Dann stürmte er fast wie in einer Tanzfigur auf uns los, als wollte er unsere Körper zermalmen.
    Meine Gedanken fokussierten sich, und ich warf ihm den Halt- Befehl entgegen.
    Es funktionierte nicht.
    Von Angst gepackt erkannte ich, dass ich gedanklich auf Französisch mit ihm gesprochen hatte.
    Virginia kreischte.
    Der Stiermann hatte uns erreicht … doch im letzten Moment wich er aus, stürmte blindlings an uns vorbei und stieß ein Gebrüll aus, das die riesige Passage erfüllte. Er lief weiter.
    Was ich dann bemerkte, war ausgesprochen sonderbar.
    Unsere Gestalten rannten den Korridor hinunter; mein schwarzpurpurner Mantel flatterte in der stillen Luft, während mein Ebenbild davonlief, und Virginias goldenes Kleid bauschte sich um sie, als sie mir folgte. Die Bilder wirkten perfekt – und der Stiermann verfolgte sie.
    Verwirrt blickte ich mich um. Man hatte uns gesagt, dass uns die Sicherheitsanlagen nicht mehr beschützen würden.
    Ein Mädchen stand bewegungslos an der gegenüberliegenden Wand. Ich hätte sie beinahe für eine Statue gehalten. Dann sprach sie.
    »Kommen Sie nicht näher. Ich bin eine Katze. Es war kein Problem, ihn zum Narren zu halten. Sie sollten lieber nach oben zurückkehren.«
    »Danke«, sagte ich, »vielen Dank! Wie lautet dein Name?«
    »Spielt das eine Rolle?«, fragte das Mädchen. »Ich bin kein Mensch.«
    Ein wenig gekränkt beharrte ich: »Ich wollte dir nur danken.« Als ich mit ihr sprach, sah ich, dass sie so schön und strahlend war wie eine Flamme. Ihre Haut war rein, cremefarben, und ihr Haar – feiner, als menschliches Haar überhaupt sein konnte – war von dem wilden goldenen Orange einer Angorakatze.
    »Ich bin K’mell«, sagte das Mädchen, »und ich arbeite in Erdhafen.«
    Virginia und ich wurden hellhörig.

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