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Was aus den Menschen wurde: Meisterwerke der Science Fiction - Mit einem Vorwort von John J. Pierce (German Edition)

Was aus den Menschen wurde: Meisterwerke der Science Fiction - Mit einem Vorwort von John J. Pierce (German Edition)

Titel: Was aus den Menschen wurde: Meisterwerke der Science Fiction - Mit einem Vorwort von John J. Pierce (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cordwainer Smith
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Neu-Franzosen hatten schon vor uns das Café betreten.
    Ein Kellner mit großem braunen Schnurrbart nahm unsere Bestellung entgegen. Ich musterte ihn genau, um herauszufinden, ob er vielleicht ein lizenzierter Homunkulus war, dem man erlaubt hatte, unter Menschen zu arbeiten, weil seine Dienste unumgänglich waren; aber es war keiner. Er war nur eine Maschine, deren Stimme alte Pariser Herzlichkeit verströmte und der die Konstrukteure sogar die nervöse Angewohnheit eingebaut hatten, mit der Hand über den großen Schnurrbart zu streichen, und darüber hinaus die Fähigkeit verliehen hatten, kleine Schweißtropfen hoch über seinen Brauen, dicht unter dem Haaransatz entstehen zu lassen.
    »Mamselle? M’sieu? Bier? Kaffee? Rotwein gibt es nächsten Monat. Die Sonne wird nach jeder halben und nach jeder vollen Stunde eine Viertelstunde lang scheinen. Alle zwanzig Minuten nach jeder vollen Stunde wird es fünf Minuten lang regnen, so dass Sie diese Regenschirme benutzen können. Ich bin gebürtiger Elsässer. Sie können mit mir Französisch oder Deutsch sprechen.«
    »Mir ist es gleich«, sagte Virginia. »Bestell du für uns beide, Paul.«
    »Bier, bitte«, wählte ich. »Für uns bitte ein Helles.«
    »Aber gewiss, M’sieu«, nickte der Kellner.
    Er ging davon und schlug die Serviette gekonnt über seinen Arm.
    Virginia blinzelte in die Sonne und sagte: »Ich wünschte, es würde jetzt regnen. Ich habe noch nie richtigen Regen gesehen.«
    »Sei geduldig, Schätzchen.«
    Sie sah mich mit ernstem Gesicht an. »Was ist ›Deutsch‹, Paul?«
    »Eine andere Sprache, eine andere Kultur. Ich habe gelesen, dass man sie im nächsten Jahr wiederbeleben will. Aber gefällt es dir denn nicht, Französin zu sein?«
    »Doch, gut sogar«, versicherte sie. »Es ist viel besser, als eine Nummer zu sein. Aber Paul …« Sie verstummte bekümmert.
    »Ja, mein Liebling?«
    »Paul«, sagte sie wieder, und die Erwähnung meines Namens war ein Hoffnungsschrei aus einer Seelentiefe, die jenseits meines neuen Ichs, jenseits meines alten Ichs, sogar jenseits der Machenschaften der Lords lag, die uns geformt hatten.
    Ich griff nach ihrer Hand. »Du kannst es mir ruhig sagen, Liebling.«
    »Paul«, sagte sie, dass es fast wie ein Schluchzen klang, »Paul, warum geschieht alles immer so schnell? Dies ist unser erster Tag, und wir fühlen beide, dass wir den Rest unseres Lebens zusammen verbringen werden. Man erzählt vom Heiraten, was immer das auch sein mag, und wir müssten dafür zu einem Priester gehen, und auch das verstehe ich nicht. Paul, Paul, Paul, warum vergeht alles so schnell? Ich möchte dich lieben. Ich liebe dich. Aber ich möchte nicht, dass man mich dazu bringt , dich zu lieben. Ich möchte mit meinem wirklichen Ich in dich verliebt sein.« Während sie sprach, sammelten sich Tränen in ihren Augen, obwohl ihre Stimme fest blieb.
    Und dann sagte ich etwas Falsches. »Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, Kleines. Ich bin sicher, dass die Lords der Instrumentalität alles richtig programmiert haben.«
    Da brach sie richtig in Tränen aus, weinte laut und heftig. Ich hatte noch nie einen Erwachsenen weinen sehen. Es war seltsam und furchterregend.
    Ein Mann, der am Nebentisch gesessen hatte, kam zu uns herüber und stellte sich neben mich, aber ich ignorierte ihn vollständig.
    »Liebling«, sagte ich beruhigend, »Liebling, wir können es doch herausfinden …«
    »Paul, lass mich gehen, damit ich dir gehören kann. Lass mich für ein paar Tage oder ein paar Wochen oder ein paar Jahre fortgehen. Dann, wenn … wenn … wenn ich zurückkomme, wirst du wissen, dass ich es bin und nicht irgendein Programm, das von einer Maschine erstellt wurde. Um Gottes willen, Paul, um Gottes willen!« Mit veränderter Stimme fuhr sie fort: »Was ist Gott, Paul? Man lehrte uns die Wörter, aber ich weiß nicht, was sie bedeuten.«
    Der Mann neben mir sagte unvermittelt: »Ich kann Sie zu Gott bringen.«
    »Wer sind Sie?«, fragte ich. »Und wer hat Ihnen erlaubt, sich einzumischen?« Dies war ein ganz anderer, neuer Tonfall als der zur Zeit der Alten Sprache – als man uns eine neue Sprache verliehen hatte, war auch das Temperament nicht vergessen worden.
    Der Fremde blieb höflich – er war wie wir Franzose, aber er vermochte sich zu beherrschen. »Mein Name ist Maximilien Macht, und ich war ein Glaubender.«
    Virginias Augen leuchteten auf. Sie wischte sich geistesabwesend über das Gesicht, während sie den Fremden musterte. Er

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