Was aus den Menschen wurde: Meisterwerke der Science Fiction - Mit einem Vorwort von John J. Pierce (German Edition)
ist ja gestorben.«
»Vergib mir. Bitte, setz dich doch. Ich habe etwas anderes gemeint.«
Sie war so müde, dass sie sich mit einer unschuldigen Sinnlichkeit auf den Sessel setzte, die jedem normalen Mann den ganzen Tag durcheinandergebracht hätte. Sie trug ihre Girlygirl-Kleidung, die normaler Alltagskleidung glich, jedoch interessant und modisch wirkte, wenn sie sich darin bewegte. Ihrem Beruf entsprechend waren ihre Kleider so entworfen, dass sie unverhoffte und provozierende Einblicke gewährten, wenn sie sich setzte; allerdings waren die Einblicke nicht so gewagt, dass sie den Mann mit ihrer Dreistigkeit schockieren könnten, doch so geschlitzt, geteilt und geschnitten, dass er weit mehr visuelle Reize erhielt, als er erwartet hatte.
»Ich muss dich bitten, deine Kleider ein wenig zusammenzuziehen«, sagte Jestocost mit klinisch unbeteiligter Kühle. »Ich bin ein Mann, auch wenn ich ein Beamter bin, und dieses Gespräch ist für dich und mich wichtig.«
Sein Tonfall erschreckte sie ein wenig. Sie hatte ihn nicht aufreizen wollen, vor allem nicht heute, nach dem Begräbnis. Diese Kleider waren die einzigen, die sie besaß.
Er las das alles in ihrem Gesicht.
Unbeirrt kam er auf sein eigentliches Anliegen zurück.
»Junge Lady, ich fragte nach eurem Führer. Du hast zuerst deinen Vorgesetzten und dann deinen Vater genannt, aber mir geht es um euren Führer.«
»Ich verstehe nicht«, erwiderte sie und schluchzte fast, »ich verstehe nicht.«
Dann, dachte er, muss ich das Risiko eben eingehen. Er stach mit seinem mentalen Dolch zu, trieb ihr seine Worte fast wie Stahl mitten ins Gesicht. »Wer«, sagte er langsam und eisig, »ist … der … I … telly … kelly?«
Das Gesicht des Mädchens war blass vor Kummer gewesen. Nun wurde es kalkweiß. Sie fuhr vor ihm zurück. Ihre Augen glühten wie zwei Feuer.
Ihre Augen … wie zwei Feuer.
(Kein Untermädchen, dachte Jestocost, während ihm schwindlig wurde, könnte mich hypnotisieren.)
Ihre Augen … waren wie kalte Feuer.
Der Raum um ihn herum verschwand. Das Mädchen war fort. Ihre Augen wurden zu einem einzigen weißen, kalten Feuer.
Inmitten dieses Feuers befand sich die Gestalt eines Mannes. Seine Arme waren Flügel, aber an den Ellbogen seiner Schwingen besaß er menschliche Hände. Sein Gesicht war so klar und kalt wie der Marmor eines antiken Standbildes. Seine Augen waren von einem trüben Weiß. »Ich bin E-telekeli«, sagte er. »Sie werden an mich glauben. Sprechen Sie mit meiner Tochter K’mell.«
Das Bild verschwand.
Jestocost sah, wie das Mädchen ihn anstarrte, während sie in unbequemer Haltung auf dem Sessel saß. Er war nahe daran, einen Scherz über ihre hypnotische Aufnahmekapazität zu machen, als er erkannte, dass sie noch immer tief hypnotisiert war, obwohl er sich selbst schon längst daraus gelöst hatte. Sie hatte sich versteift, und wieder war ihr Kleid in planvolle Unordnung geraten. Die Wirkung war nicht aufreizend; sie war so rührend, dass Worte ungenügend wären, um es zu beschreiben – vielleicht als ob einem hübschen Kind ein Unfall zugestoßen wäre.
Er sprach zu ihr. Er sprach zu ihr und erwartete im Grunde keine Antwort. »Wer bist du?«, fragte er, um ihre Hypnose zu testen.
»Ich bin der, dessen Name niemals laut genannt wird«, sagte das Mädchen mit eindringlichem Flüstern. »Ich bin der, dessen Geheimnis Sie aufgedeckt haben. Ich habe mein Bild und meinen Namen Ihrem Geist eingeprägt.«
Jestocost pflegte mit derartigen Gespenstern nicht zu streiten. Er stieß eine Entschuldigung hervor. »Wenn ich meinen Geist öffne, werden Sie ihn dann durchsuchen, während ich Sie ansehe? Sind Sie dazu fähig?«
»Ich bin dazu fähig«, zischte die Stimme im Mund des Mädchens.
K’mell erhob sich und legte Jestocost die Hände auf die Schulter. Sie blickte ihm in die Augen. Er erwiderte den Blick. Er war selbst ein starker Telepath, aber auf die gewaltige Gedankenspannung, die von ihr ausging, war er nicht vorbereitet.
Überprüfen Sie meine Gedanken, befahl er. Aber nur jene, die die Untermenschen betreffen.
Ich sehe sie, telepathierte das Bewusstsein, das sich hinter K’mell verbarg.
Sehen Sie auch, was ich für die Untermenschen tun will?
Jestocost hörte das Mädchen schwer atmen, während ihr Geist dem seinen als Relais diente. Er versuchte ruhig zu bleiben, um zu erkennen, welcher Teil seines Gehirns erforscht wurde. So weit ist ja alles gut gegangen, dachte er. Eine Intelligenz wie diese
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