Was aus den Menschen wurde: Meisterwerke der Science Fiction - Mit einem Vorwort von John J. Pierce (German Edition)
hundertjähriger Regierungszeit, auf der Erde eine andere Regierung entdecken sollte, die ebenso mächtig und fast so alt war wie seine eigene; dass er sich willentlich an einer Verschwörung beteiligen und sich in Gefahr begeben würde, um einer Sache zum Erfolg zu verhelfen, die er nur zur Hälfte verstand. All diese Dinge lagen noch in der Zukunft verborgen, so dass ihn beim Aufstehen nur eine einzige Frage beschäftigte, und zwar die, ob er sich ein kleines Glas Weißwein zum Frühstück gönnen sollte oder nicht. An jedem 173. Tag eines jeden Jahres aß er Eier. Sie waren eine seltene Delikatesse, und er wollte sich nicht verwöhnen, indem er zu viele davon aß, aber er wollte sich auch nicht strafen und einer Versuchung widerstehen, ohne ihr auch nur einmal unterlegen zu sein. Er schlurfte durch das Zimmer und murmelte: »Weißwein? Weißwein?«
K’mell begann in sein Leben zu treten, aber er wusste noch nichts davon. Sie war vom Schicksal ausersehen, zu gewinnen; und das wusste sie nicht.
Seit die Menschheit mit der Wiederentdeckung des Menschen begonnen hatte und Regierungen, Geld, Zeitungen, Nationalsprachen, Krankheit und der gewöhnliche Tod wieder eingeführt worden waren, gab es Probleme mit den Untermenschen – Menschen, die nicht menschlich, sondern lediglich von menschlicher Gestalt und aus irdischen Tieren herangezüchtet waren. Sie konnten sprechen, singen, lesen, schreiben, arbeiten, lieben und sterben, aber sie wurden nicht durch das menschliche Gesetz beschützt, das sie einfach als »Homunkuli« bezeichnete und ihnen den rechtlichen Status von Tieren oder Robotern verlieh. Wahre Menschen von den Außenwelten nannte man gewöhnlich »Hominide«.
Die meisten Untermenschen erledigten ihre Arbeit und akzeptierten widerstandslos ihren Status als halbe Sklaven. Einige wurden berühmt – K’mackintosh war das erste irdische Lebewesen gewesen, dem ein Fünfzig-Meter-Sprung unter normaler Schwerkrafteinwirkung gelungen war, sein Bild war auf tausend Welten zu sehen gewesen. Seine Tochter, K’mell, war ein Girlygirl und verdiente ihren Lebensunterhalt damit, menschliche Wesen und Hominide von den Außenwelten zu begrüßen und sich heimisch fühlen zu lassen, wenn sie die Erde besuchten. Sie besaß zwar das Privileg, in Erdhafen zu arbeiten, aber es war eine harte Arbeit für einen bescheidenen Lohn. Menschliche Wesen und Hominide hatten so lange in einer Überflussgesellschaft gelebt, dass sie nicht wussten, was es bedeutete, arm zu sein. Aber die Lords der Instrumentalität hatten angeordnet, dass Untermenschen – Abkömmlinge von Tieren – unter den wirtschaftlichen Bedingungen der Alten Welt zu leben hatten; sie mussten mit ihrer eigenen Währung für ihre Wohnung, ihre Nahrungsmittel, ihr Eigentum und die Ausbildung ihrer Kinder bezahlen. Wenn sie Bankrott gingen, wurden sie ins Armenhaus geschafft und schmerzlos durch Gas getötet.
Es war offensichtlich, dass die Menschheit, nachdem sie alle ihre eigenen Grundprobleme gelöst hatte, noch nicht bereit war, den irdischen Tieren, so sehr sie sich auch verändert haben mochten, die volle Gleichberechtigung zuzugestehen.
Lord Jestocost, der siebente dieses Namens, lehnte diese Politik ab. Er war ein Mann, der wenig Liebe und keine Furcht kannte, frei von Ambitionen war und an seinem Beruf hing. Aber manchmal ist die Leidenschaft für die Politik genauso tief und verzehrend wie für die Liebe. Schon seit zweihundert Jahren glaubte Jestocost sich mit seinen Erkenntnissen im Recht, und da er immer von den anderen Mitregierenden überstimmt worden war, hatte sich in ihm das unstillbare Verlangen festgesetzt, die Dinge endlich einmal nach seinen Vorstellungen zu gestalten.
Jestocost war einer der wenigen freien Menschen, die an die Rechte der Untermenschen glaubten. Er war nicht der Ansicht, dass es der Menschheit jemals gelingen würde, uraltes Unrecht wiedergutzumachen, solange die Untermenschen nicht selbst über irgendwelche Machtinstrumente verfügten: Waffen, Geld und (vor allem) Organisationen, um damit die Menschen herauszufordern. Er fürchtete sich nicht vor einer Revolte – er dürstete nach Gerechtigkeit mit einer Intensität, die alle anderen Überlegungen verdrängte.
Als die Lords der Instrumentalität darüber informiert wurden, dass unter den Untermenschen eine Verschwörung im Gang war, überließen sie es der Roboterpolizei, diese zu zerschlagen.
Jestocost tat nichts dergleichen.
Er baute sich seine eigene Polizei auf
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