Was aus den Menschen wurde: Meisterwerke der Science Fiction - Mit einem Vorwort von John J. Pierce (German Edition)
verbergen; die Männer verrieten sich durch ihre unerfüllten Begierden, die Frauen durch ihre unbezähmbare Eifersucht. Aber vor allem kannte sie die Menschen deshalb so gut, weil sie selbst kein Mensch war. Sie musste durch Nachahmung lernen, und Nachahmung ist bewusstes Tun. Tausend Kleinigkeiten, die normale Frauen als selbstverständlich hinnahmen oder über die sie nur einmal in ihrem ganzen Leben nachdachten, dienten ihr als Gegenstand aufmerksamer, intelligenter Beobachtung. Sie war ein Mädchen von Beruf; sie war ein Mensch durch Assimilation; sie war eine neugierige Katze aufgrund ihrer genetischen Natur. Und jetzt war sie dabei, sich in Jestocost zu verlieben, und sie wusste es.
Aber selbst sie konnte nicht wissen, dass die Romanze eines Tages zum Gespräch, zur Legende, zu einer Liebesgeschichte verklärt werden würde. Sie ahnte nichts von der Ballade über sie, die mit folgenden, viel später berühmt gewordenen Zeilen begann:
Sie bekam das Was von dem Was-sie-tat,
Versteckte die Glocke unter einem Klecks; sodann
Verliebte sie sich in einen hominiden Mann.
Wo ist das Was von dem Was-sie-tat?
All dies lag noch in der Zukunft, und sie wusste es nicht.
Sie kannte nur ihre eigene Vergangenheit.
Sie erinnerte sich an den Prinzen von der Außenwelt, der seinen Kopf in ihren Schoß gelegt und gesagt hatte, während er zum Abschied ein Glas Mott trank: »Seltsam, K’mell, du bist nicht einmal ein Mensch und dennoch bist du das intelligenteste menschliche Wesen, dem ich auf dieser Welt begegnet bin. Wusstest du eigentlich, dass es meinen Planeten arm gemacht hat, mich hierhin zu schicken? Und was hat es uns gebracht? Nichts, nichts und tausendmal nichts. Aber du … Wenn du die Regierung der Erde leiten würdest, hätte ich bekommen, was mein Volk braucht, und auch diese Welt hier wäre reicher. Menschenheimat nennen sie sie. Menschenheimat, bei meiner Seele! Die einzige vernünftige Person auf dem ganzen Planeten ist eine weibliche Katze.« Er zeichnete mit den Fingern ihre Fesseln nach. Sie ließ ihn gewähren. Es war ein Teil der Gastfreundschaft, und sie besaß ihre eigenen Mittel, um dafür zu sorgen, dass die Gastfreundschaft nicht zu weit ging.
Die irdische Polizei überwachte sie; für sie war sie eine Annehmlichkeit, die man den Außenweltlern zur Verfügung stellte, etwa wie einen weichen Sessel in den Empfangshallen von Erdhafen oder einen Trinkbrunnen mit säurehaltigem Wasser für Fremde, die das schale Wasser der Erde nicht vertragen konnten. Man erwartete jedoch nicht von ihr, dass sie Gefühle entwickelte oder sich mit jemandem einließ. Hätte sie jemals einen Zwischenfall verursacht, hätte man sie genauso grausam bestraft, wie oft genug Tiere oder Untermenschen bestraft wurden, oder man hätte sie (nach einem kurzen formalen Prozess ohne Berufungsmöglichkeiten) vernichtet, wie es das Gesetz vorsah und der Brauch es forderte.
Sie hatte über tausend Männer, vielleicht sogar fünfzehnhundert, geküsst. Sie hatte in ihnen das Gefühl hervorgerufen, willkommen zu sein, und sie hatte ihnen ihre Beschwerden oder Geheimnisse entlockt, bevor sie wieder abreisten. Es war ein emotional ermüdendes, aber intellektuell sehr anregendes Leben. Manchmal musste sie lachen, wenn sie die menschlichen Frauen mit ihrer Hochnäsigkeit und ihrem stolzen Gehabe sah und daran dachte, dass sie mehr über die Männer wusste, die zu den menschlichen Frauen gehörten, als diese jemals wissen würden.
Einmal hatte eine Polizistin ihren Bericht über zwei Pioniere von Neu-Mars überprüfen müssen. K’mell hatte die Aufgabe bekommen, ständig in engem Kontakt mit ihnen zu bleiben. Als die Polizistin den Bericht durchgelesen hatte, sah sie K’mell an und ihr Gesicht war verzerrt vor Eifersucht und glühender Wut.
»Katze nennst du dich. Katze! Du bist eine Sau, du bist eine Hündin, du bist ein Tier. Du magst für die Erde arbeiten, aber bilde dir ja nicht ein, dass du ebenso viel wert bist wie ein Mensch. Ich halte es für ein Verbrechen, dass die Instrumentalität Ungeheuer wie dich die wahren menschlichen Wesen von den Außenwelten begrüßen lässt! Ich kann das leider nicht verhindern. Aber die Glocke möge dir beistehen, Mädchen, wenn du jemals einen wahren irdischen Mann anrührst! Wenn du jemals einem zu nahekommst! Wenn du jemals hier irgendwelche Tricks versuchst! Hast du mich verstanden?«
»Ja, Ma’am«, hatte K’mell geantwortet. Und im Stillen gedacht: Das arme Ding weiß nicht einmal,
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