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Was aus den Menschen wurde: Meisterwerke der Science Fiction - Mit einem Vorwort von John J. Pierce (German Edition)

Was aus den Menschen wurde: Meisterwerke der Science Fiction - Mit einem Vorwort von John J. Pierce (German Edition)

Titel: Was aus den Menschen wurde: Meisterwerke der Science Fiction - Mit einem Vorwort von John J. Pierce (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cordwainer Smith
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wie man sich anständig anzieht oder wie man eine nette Frisur hinbekommt. Kein Wunder, dass sie jeden hasst, der es versteht, sich hübsch zu machen.
    Vielleicht hatte die Polizistin gedacht, roher Hass würde K’mell erschrecken. Das war aber nicht der Fall. Untermenschen waren daran gewöhnt, dass man sie verachtete und hasste, und Hass war roher nicht schwerer zu ertragen, als wenn er mit Höflichkeit gekocht und als Geschenk serviert wurde.
    Doch jetzt war alles anders geworden.
    Sie hatte sich in Jestocost verliebt.
    Liebte er sie auch?
    Unmöglich. Nein, nicht unmöglich. Ungesetzlich, unwahrscheinlich, unanständig – ja, all dies, aber nicht unmöglich.
    Gewiss hatte er gespürt, dass sie ihn liebte. Wenn es so war, ließ er sich jedoch nichts anmerken.
    Schon oft zuvor hatten sich Menschen und Untermenschen ineinander verliebt. Gewöhnlich zerstörte man dann die Untermenschen und unterzog die Wahren Menschen einer Gehirnwäsche. Es gab Gesetze gegen derartige Geschmacklosigkeiten. Die Wissenschaftler der Menschen hatten die Untermenschen erschaffen, hatten ihnen Kräfte verliehen, über die die Wahren Menschen nicht verfügten (der Sprung über fünfzig Meter, der Telepath zwei Meilen unter der Erde, der Schildkrötenmensch, der tausend Jahre an einem Notausgang stand, der Stiermann, der unentgeltlich ein Tor bewachte), und die Wissenschaftler hatten vielen der Untermenschen eine menschliche Gestalt verliehen. Das war praktischer. Das menschliche Auge, die fünffingrige Hand, die menschliche Größe – das war aus technischen Gründen von Vorteil. Denn dadurch, dass den Untermenschen die gleiche Größe und Gestalt wie den Menschen gegeben worden war (mehr oder weniger), hatten die Wissenschaftler die Konstruktion von zwei oder drei oder einem Dutzend verschiedener Wohnungseinrichtungen überflüssig gemacht. Die menschliche Gestalt war für alle gut genug.
    Doch sie hatten das menschliche Herz vergessen.
    Und jetzt hatte sie, K’mell, sich in einen Mann verliebt, in einen Wahren Menschen, der alt genug war, um der Großvater ihres eigenen Vaters zu sein.
    Aber sie empfand keineswegs töchterliche Gefühle für ihn. Sie erinnerte sich, dass sie mit ihrem eigenen Vater eine lockere Kameradschaft verbunden hatte, eine unschuldige und selbstverständliche Zuneigung, die den Umstand vergessen ließ, dass er wesentlich katzenähnlicher war als sie. Zwischen ihnen herrschte stets eine schmerzhafte Leere ewig ungesagter Worte – Dinge, die keiner von ihnen so richtig aussprechen konnte, vielleicht sogar Dinge, für die es keine Worte gab. Sie standen einander so nahe, dass sie sich nicht noch näherkommen konnten. Und diese Nähe hatte eine enorme Distanz geschaffen, die herzzerreißend war und nicht zu überbrücken. Ihr Vater war gestorben, und jetzt war da dieser Wahre Mensch mit all seiner Güte …
    »Das ist es«, sagte sie zu sich selbst. »Mit all seiner Güte, die keiner dieser schnell wieder heimreisenden Männer gezeigt hat. Nicht dass sie nicht darüber verfügt hätten. Aber sie sind aus Dreck geboren, werden wie Dreck behandelt und wie Dreck fortgeworfen, wenn sie sterben. Wie könnte irgendeiner meiner Artgenossen wahre Güte empfinden? Für Güte ist eine besondere Art der Erhabenheit erforderlich. Sie ist das Beste am Menschen. Er besitzt ganze Ozeane davon. Es ist seltsam, wirklich seltsam, dass er niemals einer menschlichen Frau seine wahre Liebe geschenkt hat.« Sie verstummte, und ihr wurde kalt. Dann tröstete sie sich und flüsterte weiter: »Oder wenn er es doch getan hat, dann ist es so lange her, dass es keine Rolle mehr spielt. Und nun hat er mich . Ob er das wohl weiß?«

IV
    Lord Jestocost wusste es nicht und wusste es gleichzeitig doch. Er war es gewohnt, dass die Menschen ihm Loyalität entgegenbrachten, weil er ihnen in seiner täglichen Arbeit Loyalität und Ehre erwies. Er war es sogar gewohnt, dass Loyalität aufdringlich wurde und sich in körperlicher Form ausdrückte, vor allem bei Frauen, Kindern und Untermenschen. Aber er hatte es immer rechtzeitig unterbunden. Er setzte auf die Tatsache, dass K’mell eine wundervolle, intelligente Person war und dass sie als Girlygirl, das für die irdische Polizei als Gästebetreuerin arbeitete, gelernt hatte, ihre persönlichen Gefühle zu beherrschen.
    Wir sind zum falschen Zeitpunkt geboren, dachte er. Ich lerne die intelligenteste und wunderschönste Frau kennen, der ich jemals begegnet bin, und muss die Pflicht

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