Was bin ich wert
an Moores Zellen ist, daß sein Körper ein spezielles Enzym schnell und in großen Mengen produzieren kann, das für die Bekämpfung eines bestimmten Krebstypus entscheidend ist. Die Ärzte verkauften ihr Patent für einen Millionenbetrag an den Pharmakonzern Sandoz. Der Wert des Patents wurde später mit drei Milliarden US -Dollar taxiert. Moore, den die Ärzte über die ganzen Vorgänge nicht informiert hatten, wurde mißtrauisch und zog vor Gericht. Seine Klage scheiterte, weil sich der Oberste Gerichtshof in Kalifornien nicht dazu durchringen konnte, Moore als ursprünglichen Eigentümer der Zellen anzuerkennen. Später einigte er sich mit Sandoz außergerichtlich auf eine Summe von angeblich etwa 300 000 US -Dollar.
Ich glaube auch, daß ich tolle Gene habe. Allerdings kenne ich sie nicht so genau, und daran möchte ich eigentlich auch nichts ändern, schon weil ich Überraschungen liebe. Und damit bin ich bei einer weiteren naheliegenden und potentiell verwertbaren Substanz, die ich regelmäßig produziere. Mein allerprivatestes Erzeugnis, in dem soviel von mir drinsteckt, wie nur irgend möglich: mein Sperma.
Sperma kann man spenden beziehungsweise verkaufen. In Berlin zum Beispiel bei der Berliner Samenbank. Dort rufe ich an und vereinbare einen Termin. Vorher gehe ich aber noch ins Internet. Zwar bin ich mit meinem Sperma in gewisser Weise vertraut. Mein konkretes Wissen ist allerdings ein wenig beschränkt.
Also: Ein männlicher Körper kann entlang seiner etwa 300 Meter langen Spermienkanäle am Tag bis zu 100 Millionen Spermien produzieren. Ein Ejakulat beziehungsweise Samenerguß von im Schnitt zwei bis sechs Millilitern besteht aber nur zu etwa zehn Prozent aus Spermien. Den Rest bezeichnet man als Seminalplasma. Laut den von der Weltgesundheitsorganisation WHO festgelegten Werten gelten etwa 20 Millionen Spermien pro Milliliter, von denen etwa die Hälfte lebendig ist, als normal. Noch lange nach dem Zweiten Weltkrieg war die Befruchtung mit gespendetem Sperma verboten. Der Deutsche Ärztetag akzeptierte die Behandlung erst 1970. 1986 beschloß der Deutsche Juristentag, daß die entsprechende künstliche Befruchtung »als solche nicht gegen die Menschenwürde verstößt« und ein weiteres Verbot weder mit dem Sittengesetz noch dem Grundgesetz begründet werden könne. Eine eindeutige gesetzliche Regelung fehlt jedoch bis heute.
22.
105 Euro für zwei private Milliliter.
Ein Besuch bei der Samenbank
Die Berliner Samenbank liegt in der Kronenstraße in Mitte. Ich habe Probleme, den richtigen Eingang zu finden. Die Hinweisschilder sind wohl mit Rücksicht auf die Botschaft des muslimischen Sultanats Brunei auf derselben Etage nur sehr dezent angebracht. Schließlich stehe ich doch vor der richtigen Tür, klopfe, trete ein und treffe auf eine freundliche Frau, die mich ein wenig skeptisch anschaut. Auf ihrem Poloshirt steuern etwas oberhalb des Herzens ein paar stilisierte Spermien auf direktem Weg eine stilisierte Eizelle an.
Kurze Begrüßung. Ich bekomme ein rosafarbenes Informationsblatt und einen Fragebogen. Der behandelnde Arzt, so lese ich, unterliegt der Schweigepflicht. Allerdings hat das potentielle, mit meinem Sperma gezeugte Kind das Recht, die Wahrheit über seine Abstammung zu erfahren. Da nützt auch das »Anonymitätsbegehren des Samenspenders« nichts. Es könnte auch sein, daß mein Samenkind Teile meines Erbes beansprucht. Es läßt sich auch nicht ganz ausschließen, daß da mal Unterhaltsansprüche auf mich zukommen. Während in Deutschland Anfang 2011 ein gutgläubiger Spender knapp von einer entsprechenden Klage verschont blieb, erwischte es in Schweden und England schon Männer, die jeweils einem lesbischen Paar aus Gefälligkeit Sperma überlassen hatten.
Anderseits verzichte ich auf alle möglichen Forderungen an die Empfängerin meiner Samenspende, an ihren Ehemann sowie an das mit meinem Sperma gezeugte Kind. Auch ob es so ein Kind überhaupt gibt, das heißt, ob die Weitergabe meines Samens den erhofften Erfolg gebracht hat, werde ich im Normalfall nicht erfahren. Für »eine Samenprobe optimaler Qualität« muß »der letzte Samenerguß mindestens drei Tage, aber auch nicht mehr als sechs Tage zurückliegen«. Ich soll mindestens alle zwei Wochen und ein halbes Jahr lang spenden. Ich denke, das wäre machbar. Dann möchten sie wissen, wie esum meine Bildung und Hobbys steht und zu welcher Ethnie ich gehöre. Ein Foto wollen sie auch noch. Zusätzlich noch in einer
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