Was bin ich wert
anderen Einrichtung spenden darf ich übrigens nicht.
– Warum nicht?
– Na ja. Es gibt keine zentrale Spendererfassung. Und mehr als 15 Kinder sollten pro Spender auch nicht gezeugt werden. Sonst verliert man ja irgendwann den Überblick.
Für eine kleine Schrecksekunde habe ich eine beklemmende Vision: Ich stehe allein auf einer Wiese, 15 sabbernde Zwerge, die »Papa, Papa« rufen, rennen, krabbeln und stolpern auf mich zu, dahinter die Eltern – und ich kann nicht weg. In den USA gibt es laut Medienberichten einen anonymen Rekord-Samenspender mit der Nummer 401. Es soll sich um einen blonden, blauäugigen Akademiker mit deutschen Wurzeln handeln, dessen Sperma bisher mindestens 25mal bei insgesamt 18 Frauen erfolgreich eingesetzt wurde. Sein Nachwuchs trifft sich regelmäßig, auch in Fernsehsendungen. Die meist blonden Kinder sollen sich ausgesprochen ähnlich sehen. Da einige Mütter eingefrorenen Samen von »401« lagern, ist mit weiterem Nachwuchs zu rechnen.
Zu lange sollte man für eine Spende nicht brauchen, sagt die Frau noch. »Wenn einer eine Stunde benötigt, dann ist das auch nicht so gut. Soviel Anstrengung, das macht keinen Sinn.« Und dann – endlich – geht es ums Geld. Pro Spermabecher bekomme ich 105 Euro. Mir fällt da ein Zuchthengst in den USA ein, der für jede »Spende« angeblich weit über 500 000 Dollar bekommt, aber das ist vielleicht der falsche Vergleich. Bei der Berliner Samenbank würde ich für jede Spende die erste Rate von 35 Euro innerhalb eines Monats bekommen, den Rest dann nach diversen Kontrolluntersuchungen nach einem guten halben Jahr. Stellt sich aber schon bei einem ersten kurzen Qualitätstest heraus, daß meine Spermien zum Beispiel zu unbeweglich sind, gehe ich mit lediglich 25 Euro nach Hause. Ich gehe mal davon aus, daß alles was taugt und ich entspannt zweimal die Woche Sperma spende. Das macht dann 210 Euro in der Woche, 840 Euro im Monat,und 10 920 Euro für die 52 Wochen eines Jahres. Nebenbei. Für – Anfahrt abgerechnet – eine halbe Stunde Arbeit. Obwohl »Arbeit«? Na ja. Jetzt mal keine Witze. Immerhin liefere ich nicht irgend was, sondern das, was ich bin, beziehungsweise eine Art »Bauplan«. So gesehen kommt mir die Summe eher wenig vor. Aber was wäre in diesem Fall viel beziehungsweise angemessen oder gar »fair«? Die Frau kontrolliert derweil meinen ausgefüllten Fragebogen.
– Sie kommen nicht in Frage.
– Was?
– Sie dürfen nicht spenden.
– Warum?
– Sie sind zu alt.
– Ich bin 46!
– Ja, genau. Das ist zu alt.
Am Telefon hatte ich mich noch vor einer Antwort auf die Frage nach meinem Alter drücken können. Ich versuche zu erklären, daß ich mich mit 46 durchaus noch potent fühle, mir kommt gar was von »der Blüte des Lebens« in den Sinn. Hat aber keinen Zweck. Sie ist unerbittlich.
– Sie dürfen nicht jünger als 20 und nicht älter als 38 Jahre sein.
– Aber wieso?
Mein letzter Versuch. Sie schaut mitleidig.
– Das fragen sie besser Dr. Peet.
Ich nehme den Aufzug nach oben, setze mich in den großzügigen Empfangsraum der PraxisKlinik für Fertilität, der auch die Berliner Samenbank angeschlossen ist, und warte auf David Peet, einen der beiden geschäftsführenden Ärzte.
In Deutschland sind zehn bis 15 Prozent aller Paare ungewollt kinderlos. Die Klinik scheint gut zu laufen. Breite Ledersessel im Wartezimmer, Deckenvenilator, heller Parkettboden, mittelmäßige Kunst an den Wänden. Aus den eingelassenen Deckenlautsprechern rieselt musikalisches Junkfood. Die paar Topfpflanzen wirken nur bedingt fruchtbar. Auf einer Glastür, hinter der ein Flur mit mehreren Zimmertüren liegt, stehtIVF-Trakt. IVF steht für »In-vitro-Fertilisation«. Das ist Lateinisch und bedeutet soviel wie »Befruchtung im Glas«.
Genau in einem solchen werden Eizellen mit ausgesucht schnellen und mobilen Spermien zusammengebracht. Kommt es zu einer erfolgreichen Vereinigung, wird die befruchtete Eizelle anschließend im Brutschrank kultiviert und auf ihre Qualität überprüft. Wenige Tage später werden maximal drei Embryonen in den Uterus der Frau transferiert. Die restlichen können in flüssigem Stickstoff tiefgefroren und jahrzehntelang gelagert werden. In Deutschland ist das aber nur in Ausnahmefällen erlaubt. 14 Tage nach der Befruchtung kann ein Schwangerschaftstest gemacht werden. Sollten, etwa wegen einer Hormontherapie, mehr als drei Embryonen im Mutterbauch
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