Was bin ich wert
Was muß jemand bezahlen, der eine Befruchtung mit dem Sperma ihrer Bank will?
– Eine Frau im fruchtbaren Alter hat eine Schwangerschaftsrate von 15 bis 17 Prozent. Da ist meist eine ganze Reihe von Inseminationen nötig. Und es kann auch Fehlgeburtengeben. Wir berechnen bei der ersten Behandlung einen Pauschalbetrag von etwa 2500 Euro. Da sind die Festkosten schon mal drin. Das macht aber jede Samenbank anders. Der Betrag schließt im Prinzip bis zu zehn Inseminationen ein, was in den meisten Fällen reicht. Dazu kommen bei jedem Zyklus noch einige Extrakosten: Ultraschall, Medikamente, der Samen. Das sind dann jeweils etwa 400 Euro. Je früher es zur Schwangerschaft kommt, desto besser. Alle haben dann gespart.
Noch auf dem Heimweg kalkuliere ich eine Art Richtpreis für eine künstliche Befruchtung mit Fremdsamen und komme auf etwa 6000 Euro. Das kann aber von Frau zu Frau, von Klinik zu Klinik stark variieren. Trotzdem, ich halte fest: 6000 Euro für einen Zellhaufen, einen Embryo, ein Kind, ein nacktes Leben wie meines.
Allerdings ist es damit noch nicht getan. So ein Kind will ja auch versorgt werden. 2003 veröffentlichte das Statistische Bundesamt, daß eine deutsche Durchschnittsfamilie Monat für Monat 549 Euro pro Kind ausgibt. Bis zum 18. Lebensjahr kommen demnach an die 120 000 Euro zusammen.
23.
Bald bin ich kein »Bringer« mehr.
Bernd Raffelhüschen im Dienst der (sozialen) Marktwirtschaft
Ein großer Tisch, ein knappes Dutzend Journalisten und eine Power-Point-Präsentation im Literarischen Salon des Restaurant Tucher am Brandenburger Tor. Ich sitze mit am Tisch, weil ich etwas über meinen Wert aus staatlicher, genauer: steuerlicher Perspektive erfahren möchte. Der Freiburger Professor Bernd Raffelhüschen und sein Mitarbeiter Stefan Moog stellen das »Update« ihrer »Generationsbilanz« vor. Auf der Leinwand ist eine Bevölkerungspyramide zu sehen. Die Alten werden immer mehr. Die Jungen immer weniger. Mittendrin ich beziehungsweise meine Generation. Irgendwann, das läßt sich schwer leugnen, werde auch ich alt sein. Die Töchter zu Hause finden sogar, daß es jetzt schon soweit ist. Nun ja. Hier und jetzt geht es vor allem ums Geld. Raffelhüschen hat neue Zahlen mitgebracht.
Der 1957 geborene Volkswirtschaftler leitet das Forschungszentrum Generationenverträge in Freiburg. Er ist gut gebräunt, sein lockiges Haar etwas länger als in der Branche üblich. Wenn er seinem Kollegen den Vortritt läßt, spricht er vom »ersten und zweiten Aufschlag«. Die Sprache des Tennisplatzes paßt. Raffelhüschen ist ein forscher, um Lockerheit und Witz bemühter Serve-and-Volley-Typ, der aber wohl auch längeren Duellen an der Grundlinie nicht ausweichen würde.
Untertitel der Veranstaltung: »Konjunkturelles Mißmanagement der Politik verschärft Nachhaltigkeitsproblem«. Im Auftrag der Stiftung Marktwirtschaft, einer wirtschaftsliberal orientierten »Denkfabrik«, liefert Raffelhüschen einen »fiskalischen Jahresrückblick«. Er kommt zu dem nicht ganz überraschenden Ergebnis, daß die Bundesregierung hinsichtlich ihrer Einnahmen viel zuviel Geld ausgibt. Insbesondere kritisiert er zu hohe Hartz- IV -Sätze und zu großzügige Renten. Die Gesamtverschuldung beziffert er auf sechs Billionen Euro (eine Zahl mit zwölf Nullen).
All das ist interessant und erschreckend. Um Raffelhüschens Kritik einordnen zu können, sollte man jedoch auch wissen, daß der Professor zahlreichen Nebentätigkeiten in der privaten Versicherungswirtschaft nachgeht und außerdem auch noch für die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft ( INSM ) tätig ist. Die im Jahr 2000 gegründete Organisation wird von ihrem Gründer, dem Arbeitgeberverband Gesamtmetall, sowie anderen Wirtschaftsverbänden und Unternehmen unterstützt, um, wie die Frankfurter Rundschau schrieb, »die frohe Botschaft des Neoliberalismus unters Volk zu bringen«.
Mit einer bisweilen dubiosen Öffentlichkeitsarbeit, zu der auch schon die verdeckte und bezahlte Einflußnahme auf die Drehbücher von Daily-Soaps gehörte, will sie die deutsche Gesellschaft von »marktwirtschaftlichen Reformen« überzeugen. Laut der linksliberalen FR geht es dabei darum, »den Staat von lästigen Aufgaben wie etwa Bankenregulierung zu entbinden, Steuern für ›Leistungsträger‹ zu senken und Arbeitslosen die Hängematte unterm Hintern wegzuziehen«. Den von der INSM kreierten Slogan »Sozial ist, was Arbeit schafft« machten sich auch schon CDU , CSU und FDP
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