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Was bin ich wert

Was bin ich wert

Titel: Was bin ich wert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joern Klare
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Meßkonzept. Das hat mit Werturteilen überhaupt nichts zu tun. »Wert« können wirstatistisch nicht messen. Bei den Frauen ist die Bilanz zum Beispiel schlechter, weil sie aufgrund der Erwerbsstrukturen weniger Steuern zahlen. Und wenn ein Rentner eine Rente kriegt, liegt das ja da dran, daß er als Erwerbstätiger eingezahlt hat.
    Und wenn nicht? Was ist mit denen, die nicht oder nicht lange genug erwerbstätig waren? Raffelhüschen ist schon weiter im Thema.
    –   Wenn man bei der Generationenbilanz einen »Wert des Lebens« induzieren würde, könnten Sie ja sagen, daß ein Rentner, der bei einem Verkehrsunfall stirbt, ein Gewinn für die Gesellschaft ist. Und das Todesopfer, das als Erwerbstätiger stirbt, ist ein Verlust. Und das ist selbstverständlich absurd.
    Sagt Raffelhüschen, und ich muß an eine passende Geschichte aus Tschechien denken. Dort erschrak im Jahr 2000 der Zigarettenhersteller Phillip Morris, als publik wurde, daß die tschechische Regierung, besorgt um die Gesundheit ihrer Bevölkerung, eine Erhöhung der Tabaksteuer plante. Daraufhin erstellten die Zigarettendreher, die in dem Land gute Geschäfte machten, eine Kosten-Nutzen-Analyse, die zeigen sollte, daß der tschechische Staatshaushalt volkswirtschaftlich von den Rauchern profitiert. Den lebenden und den toten Rauchern, wohlgemerkt.
    Wie das?
    Phillip Morris gab zwar zu, daß Raucher, zumindest die lebenden, höhere Gesundheitsausgaben verursachen. Weil sie aber früher sterben als Nichtraucher, spart sich die Regierung wiederum einiges an medizinischen Kosten, Pensionen und Ausgaben für Altenheime etc. Insgesamt lag das Plus in der Phillip-Morris-Rechnung bei 147 Millionen Dollar bezogen auf das Jahr 1999.
    Daß diese Studie öffentlich wurde, war für den Konzern dann doch etwas peinlich. Zumal die amerikanische Krebsgesellschaft auch noch mal den Taschenrechner in die Hand nahm und auf der Basis der Studie die Summe von 1227 Dollar ermittelte, die der Staat an jedem Rauchertoten durchschnittlich sparen würde.
     

     
    Demnach, kommentierte eine aufgebrachte tschechische Ärztin, sollte die Regierung wohl am besten jeden, der das Rentenalter erreicht, gleich töten.
    Von dem Zynismus, den man solchen Rechenoperationen unterstellen mag, ließ sich aber das niederländische Gesundheitsministerium nicht abschrecken. Es gab vielmehr bei Pieter H.   M. van Baal vom Staatlichen Institut für öffentliche Gesundheit und Umwelt eine ähnliche Studie in Auftrag, die 2008 in Bild der Wissenschaft veröffentlicht wurde. Auch dieser Untersuchung zufolge sind gesundheitsbewußte Menschen für ein Gesundheitssystem teurer als etwa Raucher oder Übergewichtige. Die verursachen nämlich in ihrem Leben Gesundheitskosten von 250   000 Euro bzw. 220   000 Euro, während für einen schlanken Nichtraucher im Schnitt 281   000 Euro aufgebracht werden müssen. Er oder sie lebt einfach zu lang. Volkswirtschaftliche Kosten aufgrund krankheitsbedingter Arbeitsausfälle wurden in der Studie allerdings nicht berücksichtigt.
    Raffelhüschen möchte das Gespräch beenden. Er hat noch weitere Termine und ich noch eine letzte Frage.
    –   Wie ist es mit der Gesamtbilanz eines deutschen Steuerbürgers?
    –   Die ist negativ. Der jetzt geborene Nulljährige ist ein Kostenfaktor.
    Er zeigt auf die Tabelle.
    –   Er kostet den Staat, auf sein ganzes Leben bezogen, im Durchschnitt 79   692 Euro. Nur wenn man ihn allein aus der Perspektive der Rentenversicherung betrachtet, bringt er vielleicht ein Plus. Für den Gesamtstaat aber nicht. Wenn wir die Ausgabenstruktur nicht in den Griff bekommen, dann nutzen uns unsere Kinder – aus fiskalischer Sicht im Durchschnitt – überhaupt nichts.
    Ich radle mit einem mulmigen Gefühl nach Hause. Ich, wir alle sind im Grunde ein großes Minus. Das waren keine guten Nachrichten. Aber wenn es um Steuern geht, ist das wohl auch zuviel verlangt.

24.
Körpervermietung im Dienst der Forschung. 2680 Euro für eine Spritze
    Ich bekomme einen Anruf. Eine Frauenstimme fragt, ob ich einen Moment Zeit hätte, keine Angst, sie wolle mir nichts verkaufen. Eher umgekehrt. Per Mail hatte ich mein Interesse für die Teilnahme an einer Arzneimittelstudie bekundet, weil ich, wie es die Werbung in der S-Bahn nahelegte, »soziale Verantwortung wahrnehmen und an der Verbesserung lebenswichtiger Medikamente mitwirken« will. Außerdem versprach das Werbeplakat ein »sehr gutes Honorar«. Das interessierte mich.
    Die Dame am

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