Was bin ich wert
werden alle möglichen Gesundheitszustände auf einer Skala bewertet, auf welcher der Tod den Nullpunkt und der Zustand vollkommener Gesundheit den Wert 1 einnimmt. Die QALY s entstehen nun aus der Multiplikation der entsprechenden Lebensjahre mit dem Faktor des entsprechenden Gesundheitszustandes. Vier Lebensjahre mit einem Gesundheitsstatus von 0,5 entsprechen demnach zwei Lebensjahren in völliger Gesundheit.
Und wie findet man heraus, wo zwischen 0 und 1 der Faktor für die Lebensqualität eines bestimmten Gesundheitszustandes – etwa Blindheit – genau liegt? Es gibt verschiedene Methoden. Beim Time-Trade-off Verfahren wählen Probanden zwischen einer zu verbringenden Restlebenszeit etwa in Blindheit und einer kürzeren Restlebenszeit in perfekter Gesundheit. Die Befragten sollen die beiden Angebote miteinander vergleichen, bis sie sich die Waage halten. Wenn dann – stark vereinfacht – die Wertigkeit von einem Jahr in Blindheit mit 0,4 Jahren in absoluter Gesundheit gleichgesetzt wird, beträgt der QALY -Faktor für Blindheit 0,4.
Oft werden den Betroffenen aber auch scheinbar einfache Fragebögen vorgelegt. Dort sollen sie – Beispiel hier aus dem » EQ -5 D -Gesundheitsfragebogen« – etwa zu Bereichen wie »Beweglichkeit« oder »Angst/Niedergeschlagenheit« bestimmte Antwortoptionen wie »Ich habe keine Probleme, herumzugehen« beziehungsweise »Ich bin extrem ängstlich oder deprimiert« ankreuzen. Schließlich werden die Antworten mit Hilfe eines ausgearbeiteten Indexes in einen Zustandswert zwischen »null« und »eins« übersetzt.
Beispiele für QALY-Werte verschiedener Gesundheitszustände [8]
Migräneanfall
0,971
Bandscheibenvorfall
0,939
HIV-Infektion
0,865
Unfruchtbarkeit
0,82
Taubheit
0,67
Oberschenkelhalsbruch
0,628
Herzinfarkt
0,536
AIDS
0,495
Blindheit
0,4
Alzheimer
0,334
Krebs (ohne Metastasen)
0,25
Allerdings macht es einen erheblichen Unterschied, welche Methode angewendet wird. Denn die Unterschiede in den Ergebnissen sind zum Teil extrem. Ein anderes Problem liegt in der Auswahl der zu befragenden Gruppe. Denn wer gesund ist, bewertet mögliche Krankheiten erwiesenermaßen anders als derjenige, der tatsächlich an ihnen leidet.
Gesundheitsökonomen, die sich davon nicht irritieren lassen, vergleichen nun die auf die »qualitätskorrigierten Lebensjahre« erfaßten Kosten verschiedener Interventionen, indem sie sogenannte QALY -League-Tabellen aufstellen. Diese hier stammt aus dem Jahr 1998: [9]
Maßnahme
Kosten pro QALY
Bluthochdruckbehandlung zur Schlaganfallprävention (45- bis 65jährige)
1700 Euro
Bypaßoperation bei schwerer Angina Pectoris
4000 Euro
Brustkrebsvorsorgeuntersuchung
10 300 Euro
Herztransplantation
36 400 Euro
Künstliches Kniegelenk
46 500 Euro
Tuberkuloseuntersuchung in Schulen
72 800 Euro
Stationäre Dialyse
90 000 Euro
Operation eines Hirntumors
191 900 Euro
Eine Brustkrebsvorsorgeuntersuchung bringt demnach statistisch ein QALY für 10 300 Euro, während bei Hirntumoroperationen statistisch 191 900 Euro für das gleiche Ergebnis aufgebracht werden müssen. Längst nicht alle Gesundheitsökonomen sind von dem methodischen Ansatz des QALY überzeugt.
– QALY s sind umstritten.
– Es kommt darauf an, was man damit macht. QALY s sind ein sinnvolles Maß, um mehr Transparenz zu schaffen. Nehmen wir einen Versicherten, der noch gar nicht weiß, welches Problem später mal auf ihn zukommt. Der will doch, daß mit seinem Geld möglichst viel Gesundheit herausgeholt wird. Daß dieses Geld nicht in eine Therapie investiert wird, die nichts mehr bringt, während andere, billige Verbesserungen nicht realisiert werden.
– Ist das NICE ein Vorbild?
Das National Institute for Health and Clinical Excellence, eine Art Leitstelle im britischen Gesundheitswesen, bewertet ein QALY mit etwa 30 000 Pfund. Soviel dürfen also Medikamente und Behandlungen für ein zusätzliches Lebensjahr in optimaler Gesundheit – oder zum Beispiel zwei Jahre in genau mittelmäßiger Verfassung – kosten. Behandlungen, die teurer sind, werden meist nicht zugelassen.
– Es ist gut, wenn die Kosten pro QALY offengelegt werden. Das NICE unterscheidet auch nicht im Einzelfall über die Bewilligung der medizinischen Maßnahmen. Die Entscheider müssen aber begründen, warum sie den Wert im Einzelfall überschreiten oder eine Überschreitung ablehnen. Und der Bürger ist in der Lage, die Bewertungen und Gründe
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