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Was bisher geschah

Was bisher geschah

Titel: Was bisher geschah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Loel Zwecker
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Widersprüche der Zeit: Einerseits herrscht eine ungewöhnliche kulturelle Offenheit mit Dadaismus, Surrealismus, expressionistischen Filmen, einer brodelnden Tanz- und Theaterszene; hier werden Stars geboren wie Bertolt Brecht, Anita Berber, die Smoking trägt, offen eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft lebt, exzessiv Alkohol und Drogen konsumiert; hier startet Marlene Dietrich, die später als Exilantin an der Front heroisch für amerikanische Soldaten singen wird, ihre Karriere. Auf der anderen Seite paradieren rechtsradikale Freikorps, desorientierte und brutalisierte Kriegsheimkehrer zu Marschmusik mit chauvinistischen Texten von Horst Wessel. Vor allem ist die Republik geprägt durch die neuartige Rolle der Wirtschaftspolitik und den fatalen Mangel an demokratischer Kultur in Deutschland.
    Die Republik wird noch im Ersten Weltkrieg geboren, als am 4. November 1918 kriegsmüde Matrosen in Kiel unter der Führung von Karl Artelt meutern und, durch streikende Arbeiter unterstützt, eine Räterepublik anstreben. Dabei gerät die SPD in die Zwickmühle. Für die Arbeiter- und Soldatenräte, die im Umfeld der USPD (»Unabhängige« Abspaltung der SPD) entstehen, hatte sich die SPD schon durch die Bewilligung der Kriegskredite im August 1914 diskreditiert. Umgekehrt hatten die Generäle Hindenburg und Ludendorff neben dem liberalen Prinz Max von Baden den SPD-Mann Philipp Scheidemann zum Kriegsende in die Regierung berufen lassen, um den Boden für die »Dolchstoßlegende« zu bereiten: Die besagt, die deutsche Armee sei im Krieg unbesiegt gewesen und nur von der feigen, friedenswilligen Regierung hinterrücks zu Fall gebracht worden. Schuld am verlorenen Weltkrieg sei demnach nicht die Oberste Heeresleitung, sondern die Regierung.
    Doch zunächst scheint die SPD zwischen den Fronten lavieren zu können. In München beendet die USPD unter Kurt Eisner die Herrschaft der Wittelsbacher in Bayern, man ruft die Republik aus; in Berlin ebnen streikende Arbeiter den Weg für die Räte (Sowjets). Da lässt der Reichskanzler Max von Baden per Falschmeldung die Abdankung des Kaisers verkünden. Am 9. November 1918 proklamiert erst SPD-Staatssekretär Scheidemann die Republik, am selben Tag der Spartakistenführer Karl Liebknecht das russische Rätesystem. Kaiser Wilhelm II. flüchtet in die Niederlande. Der SPD-Chef und Vorsitzende des »Rats der Volksbeauftragten« Friedrich Ebert nimmt die angebotene Waffenhilfe der Armee gegen Linksradikale an. Der »Rat der Volksbeauftragten«, dem verschiedene Strömungen angehören, beschließt Wahlen für eine verfassungsgebende Nationalversammlung: also Parlamentarismus statt Rätesystem.
    Die Zerrissenheit in der Weimarer Republik führt zu zwölf Kanzlern und 20 Kabinetten in 14 Jahren; oft sind das Zwangskoalitionen aus republikanischen und reaktionären Parteien. Zudem ist die Republik gebeutelt von Straßenkämpfen zwischen Kommunisten und Rechtsradikalen. So ermorden Freikorps, ehemalige Frontkämpfer, die sich in Freiwilligenverbänden organisieren, 1919 die linksradikalen Spartakisten Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. 1920 werden Freikorps von einer schwachen Regierung zusammen mit der Reichswehr gegen 50 000 Kämpfer der »Roten Ruhrarmee« eingesetzt, die das Ruhrgebiet beset-zen; etwa 1200 Menschen sterben. Im selben Jahr unterstützen die Freikorps den Putschversuch des rechtsradikalen Wolfgang Kapp.
    Eine weitere Hypothek der Republik sind die Reparationszahlungen, die Deutschland auf Beschluss der Alliierten leisten muss. Nachdem der »Frieden ohne Sieg«, den US-Präsident Woodrow Wilson 1917 anstrebt, nicht gelingt, muss die deutsche Regierung 1919 nach der Niederlage den Versailler Vertrag akzeptieren: Der Artikel 231 hält die Alleinschuld Deutschlands am Ersten Weltkrieg fest. Die Reparationen sind an sich bezahlbar und verhandelbar; Gesamtsumme und Raten werden mehrmals verringert, 1929 auf 112 Milliarden, zu tilgen bis 1988; 1932 verzichten die Alliierten sogar ganz. Doch 1919 werden die Reparationen und das »Diktat von Versailles« in Deutschland als überhart und schikanös empfunden. Und als wegen eines Zahlungsrückstands 1923 französische und belgische Truppen das Ruhrgebiet besetzen, um Kohle als Pfand zu nehmen, und Deutschland die Geldmenge erhöht, um wiederum im Ausland Kohle zu kaufen und arbeitslose Arbeiter zu unterstützen, trägt dies zur Inflation bei. Der Brotpreis schnellt von 1919 bis 1923 von Pfennigbeträgen auf Hunderte Milliarden Mark

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