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Was bisher geschah

Was bisher geschah

Titel: Was bisher geschah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Loel Zwecker
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Schwester unterstützt. Umso mehr freut es ihn, als sich ausgerechnet die reaktionäre Deutsche Reichsregierung entschließt, sein Revolutionsprojekt zu fördern: Berlin will den Kriegsgegner Russland durch eine Revolution destabilisieren, erhofft sich von Lenin Frieden und damit eine Entlastung an der Ostfront. Verbindungsmann ist der Weißrusse Alexander Helphand, genannt Parvus, Sozialist, Journalist, Großschmuggler, Geschäftsmann – und deutscher Agent.
    Im Frühjahr 1917 lassen die Deutschen Lenin in einem versiegelten Zug durch das Reich und Finnland nach Russland reisen. Er ist der Führer der »Bolschewiki« (russ. »Mehrheitler«), deren Fraktion innerhalb der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands (SDAPR) den reformorientierten »Menschewiki« (russ. »Minderheitler«) gegenübersteht. Nach seiner Ankunft in Petersburg gewinnt Lenin die Massen mit seinen Aprilthesen, den Slogans »Alle Macht den Sowjets«, »Alles Land den Bauern« und »Frieden um jeden Preis«. Am 7. November 1917 (25. Oktober gemäß dem russischen Kalender) schlägt er los. Es ist eher ein Putsch als eine Revolution. Die Bolschewiki besetzen strategische Punkte, Ämter, Bahnhöfe und E-Werke und verhaften die Provisorische Regierung im Winterpalast.
    Als neue Regierung beschließt der Rat der Volkskommissare unter Lenins Vorsitz die Umverteilung von Land an Bauern, die Enteignung von Firmen, Großgrundbesitzern und Kirche, Gleichberechtigung, Öffnung der Schulen für jedermann, aber auch das Verbot von Privathandel und eine Zensur. Trotz der Einschränkungen engagieren sich Avantgardekünstler wie Kasimir Malewitsch als Kommissar für die Kunst und Konstruktivisten wie Wladimir Tatlin und Alexander Rodtschenko. Doch bald wird der kulturelle Aufbruch im Sozialistischen Realismus enden, der in schablonenhaften Bildern Helden der Arbeit und schließlich Lenins Nachfolger Stalin verherrlicht. Die politischen Voraussetzungen für den Stalinismus schafft schon Lenin im Jahr 1918: Nachdem die Bolschewiki bei den Wahlen zur Nationalversammlung weniger als ein Viertel der Stimmen bekommen, löst Lenin die Versammlung im Januar 1918 im »wahren Interesse« des Volkes kurzerhand auf. In einem extrem grausamen Bürgerkrieg besiegt die von Leo Trotzki aufgebaute Rote Armee die »Weißen«: Bürgerliche, Nationalisten und gemäßigte Sozialisten. Bis Herbst 1920 sterben etwa 10 Millionen Russen.

     
    Bild 25
    Avantgardekunst, Propaganda und Reklame in einem: Alexander Rodtschenkos Werbeplakat für die neuartigen Gummischnuller in der Sowjetunion, 1923. Den bizarren Slogan steuert der Dichter Wladimir Majakowski bei: »Die besten Schnuller, die’s je gab und geben wird/An ihnen sauge ich gerne bis ins hohe Alter. Jetzt überall im Handel. Resinotrest.«
    In Anbetracht des Elends erlaubt Lenin 1921 im Rahmen der Neuen Ökonomischen Politik ein Jahr vor Gründung der Sowjetunion gemäßigt freien Handel und verbessert die Lebensbedingungen. Aber nach seinem Tod 1924 macht Jossif Wissarionowitsch Dschugaschwili, genannt Stalin (»der Stählerne«), alles zunichte. Als Generalsekretär der Partei setzt er sich bis 1929 im Machtkampf durch; er lässt Trotzki aus der KPdSU ausschließen, verbannen und 1940 in Mexiko von Agenten ermorden. Statt »permanente Revolution« heißt die Devise nun »Sozialismus in einem Land«. Stalin will die UdSSR aus der Rückständigkeit rauspeitschen und – wie Peter der Große vor ihm – den Westen einholen. Er lässt Bauern enteignen, Agrarbetriebe (Kolchosen) schaffen und stellt Fünfjahrespläne zur Entwicklung der Schwerindustrie auf. Zwar vervielfacht sich die Produktion und die UdSSR kann in den vierziger Jahren bis zu den USA aufschließen. Doch da man die Landwirtschaft vernachlässigt, verhungern Millionen von Menschen. Widerständige oder angeblich abtrünnige Parteigenossen lässt Stalin in den dreißiger Jahren bei den »Großen Säuberungen« foltern, in Schauprozessen verurteilen und exekutieren. In seinem Repressionssystem samt Arbeitslagern (GULag) werden Millionen von Menschen ermordet.

Der fatale Mangel an demokratischen Traditionen – die Weimarer Republik
     
    Die zweite vielversprechende Revolution Europas, die langfristig im Grauen endet, findet in Deutschland statt. Sie führt zunächst dazu, dass am 6. Februar 1919 die erste wirklich demokratisch gewählte Nationalversammlung Deutschlands tagt und die Weimarer Republik gegründet wird. Dieser Staat steht beispielhaft für die

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