Was bisher geschah
und dem »Rad des Staates« (Realpolitik) zu tun. So könnte man Ashoka als historischen Vorreiter von europäischen Königen, Päpsten und Kreuzrittern des Mittelalters sehen, die Nächstenliebe predigen, an Jesu Grab Tränen vergießen – und im nächsten Moment Frauen und Kinder abschlachten.
Wie jeder andere damalige Herrscher besteuert Ashoka Bauern und Arbeiter hart. Mit der alten Elite legt er sich immerhin an, als er den Brahmanen mit dem Verbot von Opfern eine Grundlage ihres Einkommens entzieht. Und selbst Verwandten verdirbt er den Spaß, indem er Tierkämpfe und das Verzehren üppiger Schlachtplatten untersagt. Über die Einhaltung der Regeln wachen »Hohe Räte für Moral«- ähnlich wie die römischen Zensoren zur gleichen Zeit 5000 Kilometer nordwestlich. Um seine Ideen zu verbreiten, schickt Ashoka Diplomaten bis nach Griechenland und Nordafrika. Zwar gerät sein Reich in die Krise, frustriert zieht er sich womöglich als Mönch zurück und bald nach seinem Tod erlischt seine Dynastie. Zu Ashokas Nachruhm trägt jedoch bei, dass er 84 000 Stupas gestiftet haben soll, die buddhistischen Denkmäler, Grab- beziehungsweise Erdhügel mit Reliquien.
Einen weiteren langfristig wichtigen Schub bekommt der Buddhismus durch die Kultur des unbuddhistischen Hellenismus. Nachdem in Baktrien im Nordwesten Indiens und in Gandhara im heutigen Afghanistan in der Folge von Alexander dem Großen eine indisch-griechische Mischkultur mit zweisprachig beschrifteten Münzen entsteht, geht von dieser Verbindung in den nachchristlichen Jahrhunderten wohl ein ästhetischer Impuls aus: Wurde Buddha bislang symbolisch in Form eines Fußabdrucks oder Erleuchtungsbaums dargestellt und angebetet, erscheint er nun – auch nach griechischem Vorbild – zunehmend als freundlich lächelnde Statue. Ein entspannter netter Kerl.
Ansonsten verdankt sich Buddhas Einfluss buddhistischen Universitäten wie jener in Nalanda, die bis ins 12. Jahrhundert rund 10 000 Studenten anzieht. Doch die Hindu-Konkurrenz schläft nicht. Brahmanen bieten Fürsten ihre Dienste als Rajguru an, als Königslehrer. Von dem Land und den Dörfern, die Brahmanen geschenkt bekommen, können sie ähnlich gut leben wie ihre christlichen Kollegen im europäischen Mittelalter von ihren Pfründen. Insgesamt setzen sich Hinduismus und Kastenwesen ab dem 4. Jahrhundert n. Chr. zunehmend wieder durch. Obwohl die Gupta – anders als zuvor die Maurya und später die Moguln – im Wesentlichen nur über Nordindien herrschen, wird diese Zeit als die des »klassischen« Indien betrachtet; und das geht mit der Besinnung auf alte Werte wie die Veden und den Hinduismus einher. Gupta-Könige gelten nun als Inkarnation des Gottes Vishnu.
Seit dieser Zeit verlagert sich der Einflussbereich des Buddhismus mehr und mehr vom Subkontinent nach Südostasien, das insgesamt kulturell von Indien geprägt ist. Die große Ausnahme ist Vietnam, das als Nam-Viet (»südliches Land der Viet«) im 2. Jahrhundert v. Chr. von der chinesischen Han-Dynastie annektiert wird und über Jahrhunderte unter konfuzianischem Einfluss und dann auch unter jenem des über China importierten Buddhismus steht. Der kulturelle Einfluss bleibt auch erhalten, als im 10. Jahrhundert n. Chr. Rebellen die chinesische Herrschaft beenden und 968 das Reich Dai Viet gründen (1804 in Viet-Nam umbenannt). Das berühmteste Beispiel für eine indische Prägung und eine Mischung an Einflüssen in Südostasien dürfte das kambodschanische Angkor Wat sein. In der ab dem 12. Jahrhundert erbauten größten Tempelanlage der Welt in Angkor, der Hauptstadt des damaligen Khmer-Reiches, verbinden sich hinduistische und buddhistische Elemente.
Ein ganz anderer Einfluss auf Indien lässt sich wiederum am Taj Mahal ablesen – einem wunderbaren Beispiel der islamischen Architektur. Die Anlage wird im 17. Jahrhundert in Agra als Mausoleum für die Hauptfrau des Großmoguls Shah Jahan errichtet und ist ein Ergebnis der islamischen Prägung Indiens – die allerdings schon viel früher beginnt. Nachdem im 6. Jahrhundert die Weißen Hunnen (Hephtaliten) in Indien einfallen, gründen Muslime 1206 das Sultanat von Delhi. Im 16. Jahrhundert errichtet Babur, ein Nachkomme des für seine Grausamkeit berüchtigten Timur (Tamerlan), das Reich der Moguln, der Mongolen in Indien. Letzteres dient den Engländern ab dem 18. Jahrhundert auch als Vorwand, Indien zu »befreien« – und zu kolonialisieren. Der Konflikt zwischen Islam und Hinduismus
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