Was bisher geschah
Gesichtswahrung: Auf politischer Ebene dankt dabei zum Beispiel ein in der Schlacht unterlegener Fürst ab und bietet dem Sieger die Herrschaft an, worauf dieser rituell dreimal ablehnt – bis er das Angebot endlich doch akzeptiert.
Die Tigerstaaten Korea und Japan – und die zwei Schwerter des Buddha
Ein aktuelleres und – aus westlicher Sicht – besonders bizarres Beispiel für die asiatische Kultur der Gesichtswahrung, des face saving , allerdings vor allem des eigenen, betrifft Japan: Erst im Jahr 2002 räumt der Tenno anlässlich der Fußball-WM, die Japan und Korea gemeinsam ausrichteten, ein, dass das japanische Kaiserhaus von koreanischen Vorfahren abstammt. Genauer gesagt, zitiert der Tenno aus einer alten Chronik, dass ein Urtenno ein Nachfahre aus einem koreanischen Stamm sei. Selbst so indirekt formuliert ist das für viele Japaner ein großer, geradezu unglaublicher Schritt. Schließlich wurden die Koreaner immer wieder unterjocht, im Zweiten Weltkrieg Opfer brutaler, bis heute ungesühnter, ja geleugneter Kriegsverbrechen. Einerseits hat sich gerade in der jüngeren Generation einiges getan, koreanische Filme, Fernsehshows und Stars erfreuen sich in Japan großer Beliebtheit; andererseits bleiben die Koreaner, oft Nachfahren von Zwangsarbeitern, als größte Minderheit in Japan diskriminiert.
Das Spannungsverhältnis hat eine lange Tradition. Korea und Japan sind die asiatischen Länder, die sich im 7. Jahrhundert neben Indien und China als antike Tigerstaaten formieren, bevor sich im Hochmittelalter etwa das kambodschanische und vietnamesische Reich sowie das Reich der Thai etablieren. Besonders schräg wirkt die lange japanische Leugnung der Verwandtschaft mit Korea insofern, als viele Kulturgüter im 6. Jahrhundert n. Chr. von dort übernommen werden und den Grundstock für den Aufstieg Japans zu einer starken Einheit bilden. Der frühe Transfer von Korea nach Japan betrifft meist Kulturgüter, die zuvor von China nach Korea gelangt sind: Handwerkstechniken, Architektur, Medizin, Musik, Literatur beziehungsweise die Schrift, die erst im 5. Jahrhundert nach Japan kommt. Und der Buddhismus.
Mit Blick auf die Ausbreitung des Buddhismus lässt sich festhalten, dass in seinem Namen insgesamt weniger Gewalt verübt wurde als im Namen des Christentums und Islam. Zugleich mischte er beherzter in der Tages- und Militärpolitik mit, als man vielleicht spontan denkt. Von China nach Korea reist der Buddhismus im Rahmen der ökonomisch motivierten Expansion während der Han-Dynastie ab dem 2. Jahrhundert v. Chr. Sozusagen als die Römer Asiens dringen die Chinesen bis in Tropenregionen, nach Zentralasien und die Mongolei vor. Auf der Koreanischen Halbinsel haben sie vier Kommandanturen.
Langfristig erfolgreicher als die chinesische Kolonialisierung ist die Verbreitung des Buddhismus. Bis ins 6. Jahrhundert n. Chr. fasst er in Korea in den drei Hauptkönigreichen Koguryo, Silla und Paekche Fuß. Ein Erfolgsgrund ist zunächst – wie andernorts beim Christentum und Islam – schlicht die neuartige, attraktive Erlösungsvorstellung: Man hat Aussicht auf ein wunderbares »Jenseits«, ob nun Paradies oder Nirwana. Außerdem eignet sich der Buddhismus sehr gut als Staatsreligion. So inszenieren sich Könige sogar als Boddhisattvas -Wesen also, die freiwillig auf die schnellstmögliche Erlösung, den Eingang in das Nirwana, verzichten, um anderen Wesen zur Erleuchtung zu verhelfen. Das motiviert und dient zugleich der Imagepflege. Die Erlösungshilfe für andere ist im Übrigen der größte Unterschied zwischen den zwei Hauptrichtungen des Buddhismus: Im Mahayana (»großes Fahrzeug«) gibt es Fremdhilfe beim Erreichen religiöser, spiritueller Ziele; im älteren Hinayana (»kleines Fahrzeug«), den man heute meist in der Variante des Theravada kennt, kümmert man sich als Einzelkämpfer nur um die eigene Erlösung.
Zum Reiz der Lehre trägt bei, dass chinesische Gesandtschaften nach Korea Meditationsmeister mitbringen, Mantra-Spezialisten – und lächelnde Buddhastatuen. Wie später in Europa das Christentum altbewährte Elemente des Heidentums, etwa Fruchtbarkeitsfeste und Opferrituale aufgreift und zum Beispiel in Form des Abendmahls mit der Einnahme von Christi Leib und Blut in die neue Lehre einbaut, so wandelt der Buddhismus ältere Traditionen des Schamanismus ab. Anders als im Christentum werden ältere Glaubensformen vom Buddhismus offiziell aber nicht als falsch, sondern als Vorstufe
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