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Was bisher geschah

Was bisher geschah

Titel: Was bisher geschah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Loel Zwecker
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führt mit der Unabhängigkeit Indiens 1947 zur Teilung und Verlagerung der Muslime nach Pakistan – und ist bis heute ein Grund für die andauernde Gewalt auf dem Subkontinent.

China: Gefährliche Gutmenschen vs. pragmatische Bücherverbrenner?
     
    Anders als in Indien wird im antiken China nicht so sehr über religiöse Alternativen, etwa über eine eventuelle Erlösung im Nirwana, gestritten. Ideologische Querelen gibt es aber schon: zwischen den großen Denkschulen Konfuzianismus, Daoismus und Legalismus (oder Legismus) – und später auch dem Buddhismus. Einerseits verdankt China unter anderem diesen Schulen beziehungsweise ihrem Einfluss einen »zivilisatorischen Vorsprung« in Sachen Verwaltung, Bildung, Leistungsethos und Erfindungen wie Papier und Kompass vor dem Rest der Welt; und dieser Vorsprung währt immerhin bis zur Industriellen Revolution im 18. Jahrhundert. Andererseits begünstigen die Denkschulen eine Art mythische Ausrichtung der Geschichtsschreibung.
    So sind aus dem 3. Jahrtausend v. Chr. Berichte über legendäre Urkaiser überliefert. Dem berühmten Gelben Kaiser schreibt man die Erfindung zweier typisch chinesischer Domänen zu: der Medizin und des Kochens. Während der Shang-Dynastie um 1500 v. Chr. entwickelt sich eine Schrift mit bildhaften Zeichen auf Orakelknochen und Schildkrötenpanzern. In der Zhou-Dynastie vom 11. bis zum 3. Jahrhundert v. Chr. zeichnet sich – fast analog zur Konsolidierung Roms – eine Zentralisierung ab; gegen Ende der »Zeit der Streitenden Reiche« von Anfang des 5. Jahrhunderts v. Chr. bis 221. v. Chr. sind von weit über 100 Staaten nur noch sieben Konkurrenten übrig. In dieser Zeit entsteht wohl Sunzis einflussreiches Buch über die Kunst des Krieges, das als eines der ersten heute selbstverständliche Strategien wie Täuschung und Überraschung etabliert.
    Im Jahr 221 v. Chr. setzt sich Shihuangdi (259 – 210 v. Chr.) aus der Qin-Dynastie durch. Als selbsternannter Kaiser gründet er das erste zusammenhängende chinesische Reich. Shihuangdi, der mit 13 Jahren König wird, besiegt Konkurrenten und befriedet das Land, vereinheitlicht Münzen und Maße, zentralisiert die Verwaltung mit rund 1000 Kreisen, die ungefähr so bis in die Gegenwart gelten. Er lässt Steuern der Bauern in Form von Getreide und Textilien von Beamten statt von Lokalfürsten eintreiben, Bewässerungsanlagen und wohl auch die erste Chinesische Mauer als Schutz gegen nördliche Nomadenvölker bauen. Warum hat der durchaus sehr brutale Kaiser bald nach seinem Tod einen noch viel schlechteren Ruf als andere Despoten?
    Die Informationen über ihn basieren bis 1974, bis zur Ausgrabung seiner berühmten Tonarmee mit rund 8000 Soldaten, die ihn in seiner letzten Ruhestätte bewachten, stark auf einer konfuzianisch geprägten Geschichtsschreibung. Sie stellt ihn unvorteilhaft dar. Da heißt es, er habe »eine Wespen-Nase, Augen wie Schlitze, eine Hühnerbrust und eine Stimme wie ein Schakal«. Die Gelehrten sind auch deshalb sauer, weil der Kaiser bei seinen Neuerungen die alte Elite samt Anspruch auf Ämter und Pfründe übergeht. Damit nicht genug: Er befiehlt, alle Bücher zu vernichten außer jenen, die sich praktischen Themen widmen wie Medizin und Landwirtschaft. Zugrunde liegt dem Ganzen ein tieferer Streit, der China bis ins 20. Jahrhundert prägen wird: der Streit zwischen Konfuzianismus und Legalismus (oder Legismus). Aus heutiger Sicht ist es ein skurriler Streit. So bezeichnet schon im 4. Jahrhundert v. Chr. ein Minister der Qin-Dynastie die konfuzianischen Tugenden als »parasitär«. Zu verdammen seien demnach Dinge, die man heute spontan als eher positiv einstuft: Riten, Musik, Geschichtsschreibung, Morallehren, familiäre Achtung, Treue und Friedfertigkeit. Doch nach Auffassung des Ministers führen diese Dinge zur Dekadenz und Vetternwirtschaft, erschweren echte Reformen. Demgegenüber setzt man beim Legalismus auf harte Strafen, welche gerade die echte, teils unbequeme Liebe des Herrschers zu seinem Land beweisen. Sie fruchten letztlich angeblich mehr als der Schnickschnack der gebildeten Salonpolitiker und Idealisten – der Gutmenschen, in heutigen Worten.
    Im Sinn dieses oft menschenverachtenden Legalismus wird noch Mao in der Kulturrevolution ab 1966 gegen angeblich korrupte alte Strukturen vorgehen – und Shihuangdi auch wegen seiner Brutalität rehabilitieren. In Shihuangdis China sind Alltagsdetails gesetzlich und kleinlich geregelt, legalistisch auch im heutigen

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