Was bisher geschah
Druckmittel der Hunnen dienen kann, auf dass Rom seine Verträge einhält; als eine Art Frühform des Diplomaten tragen Geiseln so auch zum Kulturaustausch bei. Später stellt Aetius Hunnen sogar als Hilfstruppen Roms an. Das Reich der Hunnen erstreckt sich mit Ungarn als Zentrum zeitweise bis nach Frankreich und Italien und ist flächenmäßig das größte Europas. Aber dem Vielvölkerreich mangelt es an Infrastruktur. Da hilft es auch nicht, dass Attila von Ostrom zur Friedenssicherung Tonnen von Gold als Tribut bekommt. Nachdem er 453 in seiner Hochzeitsnacht mit der Gotin Ildiko auf rätselhafte Weise stirbt, zerfällt sein Reich, die Hunnen werden von Rom und verbündeten Germanen aus Europa vertrieben.
Der Nachwelt in Erinnerung bleibt Attila auch dank des Nibelungenliedes . In dem Epos ist er der mächtige König Etzel, an dessen Hof am Ende wegen Meuchelmorden unter den Germanen – erstes Opfer ist Siegfried -, alles den Bach runtergeht. Im Rückblick spiegelt das Nibelungenlied , geschaffen um 1200, die historischen Wirren und Feindschaften unter Germanen in Zeiten der Völkerwanderung. Ähnlich dem Nibelungenschatz der Dichtung werden während der Völkerwanderung Gold, Geschirr und Schmuck aus Angst vor Räubern oft versteckt und vergraben. Bizarrerweise wird diese düstere Sage später zum deutschen Nationalepos. Im wilhelminischen Kaiserreich benützt Reichskanzler Fürst von Bülow 1909 das Schlagwort der Nibelungentreue für das Bündnis mit Österreich-Ungarn, das in den Ersten Weltkrieg führen wird. Auch die Nationalsozialisten schlachten das Epos für ihre Zwecke aus und propagieren Gefolgschaft und Kampf bis in den Tod.
Im 4. Jahrhundert übernehmen die Germanen anders als die Hunnen von den Römern das Christentum und Latein als Lingua franca, als Verkehrssprache. Dabei sorgt Latein als erste Fremdsprache schon damals für Kommunikationsprobleme. Im Rückblick wirken die Wanderungen der Völker umso verwirrender, als Namen, Kategorien beziehungsweise Herkunftsbezeichnungen – etwa die der Ost- und Westgoten – oft erst nachträglich etabliert wurden und noch Jahrhunderte später in der Forschung diskutiert werden. Am einfachsten ist noch der Weg der Vandalen zu verfolgen. Ihr Führer Geiserich wandert im Jahr 429 mit rund 80 000 Menschen geschlossen nach Nordafrika aus, das als Kornkammer des Weströmischen Reiches gilt. Dort gründet er mit Karthago als Residenz ein Vielvölkerreich, in dem fortan Vandalen, Römer und Nordafrikaner leben. Obzwar Herrscher und Gutsbesitzer, übernehmen die Vandalen nicht nur die Verwaltung, sondern auch die Lebensweise der Römer. Im 6. Jahrhundert werden sie vom byzantinischen Feldherrn Belisar geschlagen und in alle Winde zerstreut.
Das verrückte Durcheinander der Völkerwanderer beschreibt der Historiker Ammianus Marcellinus im 4. Jahrhundert mit einem eingängigen Bild: Demnach fallen die Barbaren überall wie Asche vom Ätna ein. Beispielhaft dafür ist das Schicksal der Goten. Sie wandern wohl aus dem Gebiet der Weichsel zum Schwarzen Meer hinunter und verteilen sich in ganz Europa. Nachdem Kaiser Valens rund 90 000 Westgoten mit ihren Planwagen auf der Flucht vor den Hunnen die Einreise ins Römische Reich erlaubt, müssen die Flüchtlinge dort Hunger leiden – vermutlich auch wegen unfähiger oder korrupter römischer Statthalter. Schließlich rebellieren die Westgoten, die zunächst Foederaten Roms gewesen waren, gegen die Zentralmacht.
Der Aufstand der Westgoten ist für die Römer eine böse Überraschung. Als man die Asylbewerber aufnahm, hatte man gedacht, sie würden sich locker in das Römische Reich eingliedern. Auf dem Gebiet Thrakiens im heutigen Bulgarien, das man ihnen zuwies, sollten sie als Puffer gegen andere Barbaren dienen. Nun töten die Ostgoten im Bündnis mit den Westgoten im Jahr 378 in der Schlacht von Adrianopel in der heutigen Türkei Tausende von Legionären und sogar den römischen Kaiser. Sie ziehen nach Italien. Nach dem Tod des letzten gesamtrömischen Kaisers Theodosius im Jahr 395 verbündet sich der Gotenkönig Alarich mit Rom. Dann presst er dem geschwächten, geteilten Reich Tribut ab – und plündert Rom im Jahr 410. Schließlich gründen die Westgoten das Tolosanische Reich mit der Hauptstadt Toulouse im heutigen Frankreich. Doch verlieren sie Gebiete an Franken, unterliegen 711 unter ihrem letzten König Roderich den Arabern und gehen in anderen Völkern auf.
Eine Voraussetzung dafür, dass die Goten zum
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