Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Was bisher geschah

Was bisher geschah

Titel: Was bisher geschah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Loel Zwecker
Vom Netzwerk:
Beispiel mit christlichen Völkern verschmelzen können, ist eine intellektuelle Pionierleistung des gotischen Bischofs Wulfila (got. »kleiner Wolf«). Mitte des 4. Jahrhunderts übersetzt er die Bibel ins Gotische. Mit Blick auf diese Bibel kann man die Geburt einer Schrift aus der Mischung der Kulturen nachvollziehen. Denn um die Bibel übersetzen zu können, erfindet Wulfila in jahrelanger Arbeit ein gotisches Alphabet, indem er griechische und lateinische Buchstaben und germanische Runen kombiniert. Die Mischung aus lateinischen und deutschen Elementen lässt sich aus dem gotischen Vaterunser heraushören: »Atta unsar thu in himinam, weihnai namo thein« (»Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name …«).
    Insgesamt erscheint die germanische Lebensweise als etwas unorganisiert und unstet. Das hat unter anderem mit ihren hölzernen Pfahlbauten zu tun, die nach etwa zwei Generationen zu faulen beginnen, so dass man umziehen muss. Dazu kommt die Anbaumethode der Brandrodung, die wenig nachhaltig ist. Auch ihre Herrschafts- und Glaubensformen sind im Vergleich zum Christentum und zu Rom dezentral, fördern keine größeren Einheiten.
    Immerhin gründet der ostgotische König Theoderich 493 ein germanisches Königreich in Italien. Doch nach seinem Tod im Jahr 526 unterliegen die Ostgoten den byzantinischen Feldherren Belisar und Narses. Die Goten – meist zuerst ihre Elite – übernehmen wie andere Völkerwanderer Sitten, Religion, Schmuck und Trachten ihrer ursprünglichen Feinde und finden Geschmack an interkulturellen Ehen.

Eine prägende Einrichtung des Mittelalters: das Lehnswesen der Franken
     
    Der germanische Stamm, der sich am längsten hält und eine langfristige Kultur schafft, sind die Franken. Sie raufen sich unter Chlodwig I. (um 466 – 511) aus dem Clan der Merowinger zusammen und werden unter dem Karolinger Karl dem Großen (um 747 – 814) das römisch-deutsche Reich gründen. Mit Chlodwig, der in Paris residiert, beginnt die Expansion der Franken auf Gebieten des heutigen Frankreich, Teilen Deutschlands und Italiens. Er konvertiert zum Christentum und arrangiert sich mit der Kirche. Insgesamt übernehmen die Franken mit der Macht auch das Christentum als eine dem Zentralstaat förderliche Religion sowie die Schriftlichkeit und Verwaltungssysteme von Rom. Aus ihren eigenen Vorstellungen von Gefolgschaft und dem Glauben an die magische Kraft des Königs, aber auch dem römischen System des Klientelismus und christlichen Elementen entwickeln sie ab dem 7. Jahrhundert eine eigene Kultur, die das Abendland jahrhundertelang prägen wird: das Lehnswesen.
    Das Lehnswesen beinhaltet, dass ein Lehnsherr dem Vasall Land, ein Grundstück, ein Lehen verleiht; vom lateinischen Wort feudum für Lehen kommt Feudalismus, die zweite Bezeichnung für das System. Der Vasall, ein einfacher Landwirt oder untergeordneter Fürst, muss dem Lehns- oder Feudalherrn für das Land und den Schutz, die er erhält, Abgaben, Kriegsdienst und unbedingte Treue leisten. In diesen unsicheren Zeiten dient das Lehnswesen mit der direkten Bindung zwischen Herrscher und Untertan der militärischen, ökonomischen und psychologischen Stärkung. Es trägt nicht zuletzt dazu bei, im Kampf gegen die Araber zu bestehen.

Mit Notlügen an die Macht: das Papsttum und der Kirchenstaat
     
    Ein weiterer zentraler Begriff neben dem des Lehnswesens ist im christlichen Frühmittelalter jener der Erbsünde. Mit der Erfindung der Erbsünde übt die Kirche seelischen und politischen Druck auf die Menschen aus. Das Konzept geht auf Paulus im 1. Jahrhundert n. Chr. und vor allem auf den Kirchenlehrer Augustinus (354 – 430) zurück. Augustinus lehrt zwar auch einen christlichen Platonismus (Neuplatonismus), wonach der Mensch etwa über ein Verständnis mathematischer Prinzipien an göttlichen Ideen und dem übersinnlich Schönen teilhaben kann. Wie Paulus eröffnet er dem Menschen die Innenwelt als Fluchtmöglichkeit vor äußeren Unbilden und damit neue Perspektiven und Trostmöglichkeiten. Doch mit der Erbsünde kommen verstärkt üble Seiten wie die Frauen- und Körperfeindlichkeit dazu, das drohende Weltgericht und ein apokalyptisches Geschichtsverständnis.
    Was die kirchliche Realpolitik betrifft, setzt Papst Gregor der Große (um 540 – 604) im alten Rom im 6. Jahrhundert geistliche Ansprüche gegen jene des oströmischen Patriarchen im fernen Konstantinopel durch. Er erkennt die Bedeutung der Germanen für die Macht der Kirche.

Weitere Kostenlose Bücher