Was bisher geschah
Umgekehrt lässt sich der Karolinger Pippin der Jüngere, als er 751 den letzten Merowingerkönig stürzt, mit Zustimmung des Papstes zum König salben. Das Christentum entspricht mit seiner universalen Ausrichtung dem Machtanspruch fränkischer Herrscher über kleinere traditionelle Clanstrukturen hinweg.
Den Päpsten gelingt mit Hilfe der Franken ein historischer Coup. Genau genommen ist es ein Doppelschlag. Er besteht aus zwei Schenkungen: Zum einen schenkt Pippin dem Papsttum 756 zum Dank für dessen profränkische Haltung das Gebiet der heutigen Emilia-Romagna, das er den Langobarden entreißt. Damit schafft er die Grundlage für den Kirchenstaat. Neben dieser sogenannten Pippinischen Schenkung gibt es noch die Konstantinische Schenkung: In einem Brief, den das Papsttum aus dem Ärmel zaubert, steht, Kaiser Konstantin habe den Päpsten die Herrschaft über den Westen zugesagt. Der Brief wird später als Fälschung entlarvt.
Tricks dieser Art, mit denen die Kirche ihre Ansprüche untermauert, hatten vor ihr bereits heidnische Wahrsager, aber auch die Buddhisten Asiens angewendet. Auch diese behaupteten, ihre Rituale oder Gebete würden segensreichen Regen verursachen – oder Stürme, in denen feindliche Flotten untergehen. Und im Mittelalter gibt es schließlich auch Himmelsbriefe, in denen diverse Rechte mit der Unterschrift von Päpsten eingefordert werden, die teils schon verstorben sind. So ist die Konstantinische Fälschung zwar ein besonders starkes Stück. Doch sind in jenen Zeiten zahlreiche Herrschaftsbegründungen manipuliert. Was heute als Fälschung erscheint, ist damals maximal eine Notlüge.
Das neue, christliche Rom im Osten: Konstantinopel alias Byzanz
Während sich die Päpste in Westrom auf Konstantin berufen, blüht das sogenannte zweite Rom auf, das Konstantin mit der Verlagerung des Schwerpunkts des Römischen Reiches nach Osten im Jahr 330 gegründet hatte: das Oströmische Reich mit der Hauptstadt Konstantinopel, ehemals Byzanz. Zwar wurde der Begriff Cäsaropapismus (»Caesar« und »Papst«) erst später etabliert und seither relativiert. Doch klingt darin zutreffenderweise an, wie sich die Kaiser, vor allem Justinian (um 482 – 565), direkt in kirchliche Angelegenheiten einmischen, obwohl es als Oberhaupt der Kirche eine Art Ost-Papst, den Patriarchen von Konstantinopel, gibt. Im Vergleich zu Westrom kommt Ostrom relativ ungeschoren durch die Zeiten der Völkerwanderung. Es besteht über 1000 Jahre, bis 1453.
Wie kein anderes Bauwerk symbolisiert die spätantike Hagia Sophia im heutigen istanbul verschiedene kulturelle Einflüsse. im 4. Jahrhundert n. Chr. als christliche Kuppelbasilika erbaut, wird sie nach der Eroberung Konstantinopels durch Muslime im Jahr 1453 zur Moschee gemacht und um vier Minarette ergänzt. Nach Gründung der Republik Türkei 1923 wandelt man sie in ein Museum um.
Mit der Abkoppelung Ostroms von Westrom im 4. Jahrhundert geht eine kulturelle Blüte einher, etwa mit neuartigen Bauformen. Bei der Hagia Sophia, der Kirche der Weisheit in Konstantinopel, fließen Elemente der weströmischen Basilika in einen Kuppelbau ein, der mit seiner schwebenden Anmutung und prachtvoller Marmor- und Mosaikdekoration im Inneren neue Dimensionen eröffnet: »Salomo, ich habe dich übertroffen!«, soll Kaiser Justinian beim Anblick der (wieder aufgebauten) Hagia Sophia ausgerufen haben. Damit spielt er auf König Salomos prächtigen Jerusalemer Tempel an, der über 1000 Jahre zuvor erbaut worden war.
Nicht nur das alte Jerusalem, auch das Imperium Romanum scheint Justinian zunächst wieder auferstehen zu lassen. In der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts weitet er den Machtbereich Ostroms durch die Zerstörung des Vandalenreiches bis nach Nordafrika aus. Zugute kommt ihm, dass sich germanische Stämme untereinander bekämpfen. Allerdings dringen die Langobarden (»Langbärte«) im Jahr 568 nach Italien vor und zerstören langfristig die römisch geprägte Einheit Italiens. Bald hält Ostrom in Italien nur noch Exklaven wie Ravenna, wo man noch heute byzantinische Mosaike von Kaiser Justinian und seiner Frau Theodora bewundern kann.
Das Leben Theodoras scheint schon deshalb glamourös, weil Justinian sie von einer Tänzerin und Schauspielerin – die als Prostituierte galten – zur »Augusta« erhebt (»Erhabenen«). Sie ist aber nicht einfach nur Justinians Pretty Woman. Ihrem Einfluss sollen sich kaiserliche Gesetze gegen Prostitution und Mädchenhandel
Weitere Kostenlose Bücher