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Was bisher geschah

Was bisher geschah

Titel: Was bisher geschah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Loel Zwecker
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von Missverständnissen verlaufen, gegenseitig erschlagen oder ineinander verlieben. Eine kleine Abweichung vom generellen Nord-Süd-Trend der Germanen – der dem heutigen Flüchtlingsstrom von Süden nach Norden entgegengesetzt verläuft – stellt der Weg der Sachsen, Angeln und Jüten aus Jütland und dem heutigen Schleswig-Holstein dar. Sie ziehen im 5. Jahrhundert in Richtung Westen nach England (benannt nach den Angeln). Gemeinsam haben sie mit den anderen Germanen, dass sie dabei uter anderem auf Römer treffen. Sie haben die Insel 43 n. Chr. unter Kaiser Claudius erobert und zur römischen Provinz Britannia gemacht. Mit Blick auf Britannien kann man die Vermischung der Völker Europas samt ihren Sprachen besonders gut nachvollziehen, weil es als Insel einen überschaubaren Rahmen beziehungsweise Schmelztiegel liefert.
    Unter der Besatzung der Römer, die sich im 5. Jahrhundert zurückziehen, können die keltischen Ureinwohner der Insel ihre Kultur bewahren. Ihr sagenhafter König Artus soll – der späteren, mittelalterlichen Legende zufolge – mit seinen Rittern der Tafelrunde um das Jahr 500 die einfallenden Sachsen besiegt haben. Doch langfristig sind das Eindringen von Germanen auf die Insel und ihre entsprechende Prägung nicht zu verhindern. Die germanischen Eroberer gründen Königreiche wie Sussex, Essex und Kent, die heutigen Grafschaften. Dabei schließen sie mitunter Kooperationsverträge mit keltischen Briten.
    Ab Ende des 8. Jahrhunderts überfallen allerdings die Wikinger aus Skandinavien regelmäßig zur Sommerzeit die britischen Inseln. Die altnorwegische Selbstbezeichnung vikíngr bedeutet zugleich so viel wie »Gefolgschaft« und »Pirat«; grundsätzlich kann man sie unter dem Sammelbegriff Normannen fassen, der ein heterogenes Gemisch nördlicher, insgesamt germanisch geprägter Völker meint. Die Wikingerschiffe sind doppelt so schnell wie die »Santa Maria« von Kolumbus. Tatsächlich gelangen die Wikinger um 1000 n. Chr. lange vor Kolumbus nach Amerika, und zwar ohne Kompass, nur mittels einer Orientierung am Himmel, an der Farbe des Wassers, an Fischzügen, Vogelflügen. Die östlich orientierten Wikinger treiben Handel mit Griechen und Arabern, bieten Pelze, Robbentran, Sklaven aus slawischen und finnischen Gebieten und erhalten Honig, Gewürze, Seide und Geld.
    Besonders kurios ist die Entwicklung der westlich orientierten, vor allem dänischen Wikinger beziehungsweise Normannen, die am Ende in England landen. Insgesamt plündern die skandinavischen Wikinger im heutigen England, Frankreich und Deutschland, in Städten wie Köln und Paris und an der Mittelmeerküste. Um sie von weiteren Angriffen auf Paris abzuhalten, bietet der westfränkische König Karl der Einfältige (damals im Sinn von »der Geradlinige« zu verstehen) ihrem Anführer Rollo einen Deal an: Für das Versprechen, Paris zu verschonen, erhalten die Normannen zu Beginn des 10. Jahrhunderts die heutige Normandie als Lehen. So dreht Karl den Spieß um. Die Normannen werden französische beziehungsweise westfränkische Vasallen. Als solche erobern sie schließlich 1066 unter der Führung von Wilhelm dem Eroberer in der Schlacht von Hastings England und etablieren damit auf einen Schlag eine weitere Kultur auf der Insel.
    Schon das Bild, das sich die Zeitgenossen von den Normannen machen, ist vielfältig. Mal bezeichnet man sie als schmutzig, dann wieder als gut gepflegt, weil sie viele Kämme haben und sich immerhin wöchentlich waschen. Ähnlich bunt gemischt wie das Image sind die kulturellen Einflüsse, die sie prägen. Sie reichen von germanischen Elementen wie dem Thing, der Versammlung freier Männer mit Stimmrecht, bis zur christlich-römisch geprägten monarchischen Kultur der Franken. Nachdem Wilhelm der Eroberer im 11. Jahrhundert England erobert, dominiert dort zunächst der französische Einfluss. Langfristig ist es eine angelsächsische Mischung. Sprachlich schlägt sich die Mischung von Kulturen auf der Insel auch darin nieder, dass der Adel im Mittelalter eher Französisch spricht, die Kirche Latein, das Volk Englisch. Bis heute sind im Englischen die verschiedenen sprachlichen Einflüsse des Germanischen und Französischen beziehungsweise Lateinischen besonders gut nachvollziehbar – und die gesellschaftlichen Schichten stärker als anderswo an ihren Akzenten herauszuhören.
    Passend dazu versucht in Zeiten des Nationalismus im 19. Jahrhundert der Erfolgsautor Walter Scott beim Blick auf das englische

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