Was bisher geschah
weströmischer Kaiserwürde – das Ganze allerdings mit immer wieder wechselnden Gebieten. Otto I. sichert die Ostgrenze gegen die Slawen, schlägt die Ungarn und erwirkt die Anerkennung seines Kaisertums durch Byzanz, indem er seinen Sohn Otto II. mit der byzantinischen Prinzessin Theophanu verheiratet. Doch schon sein Enkel Otto III. kann die Idee des »neuen Augustus«, der nach dem alten Vorbild römischer Kaiser verschiedene Gebiete und Völker in sein Imperium eingliedert, nicht mehr umsetzen. Immerhin wird das Reich rund ein Jahrhundert lang von der Unterstützung durch die Kirche profitieren, nachdem Otto I. das Papsttum militärisch geschützt, Bischöfe mit Land und Vasallen ausgestattet und so das geistliche Fürstentum geschaffen hat.
Wie eng weltliche und religiöse Macht verquickt sind, kann man sich auch mit Blick auf den Geistlichen vergegenwärtigen, der als erste offiziell heiliggesprochene historische Person gilt: So setzt sich Bischof Ulrich von Augsburg, ein Freund von Otto I., nicht nur im Machtkampf gegen weltliche Fürsten durch. Er bewährt sich auch als Kriegsherr, indem er seine Stadt 955 gegen die Ungarn verteidigt. Wie so oft spiegelt sich die Realität auf komische Weise in fiktiven Erzählungen wider: Einer der beliebtesten Heiligen der Zeit, der heilige Christophorus, den Jacobus de Voragine in seiner populären Sammlung von Heiligenlegenden Legenda Aurea im 13. Jahrhundert beschreibt, ist ein Kämpfer, ein sich prügelnder Rabauke. Erst als Christophorus (griech. »Christusträger«) Christus begegnet und ihn über den Fluss trägt, wird er bekehrt. Allein übersteht er den Angriff von 400 Soldaten, weil ihre Pfeile gemäß dem Willen Gottes »in der Luft stehen bleiben«.
Im echten Leben geht es auch heiliggesprochenen Geistlichen um Gebiete und Pfründe, Kirchenämter samt Land, Vasallen oder Leibeigenen. Diese Ämter sind eine großartige Einnahmequelle für Bischöfe und Äbte. Gegen die Simonie, den Handel mit lukrativen Kirchenämtern, werden sich zunächst die Mönche der Cluniazensischen Reformbewegung aus Cluny in Burgund wenden. Sie wollen eine Rückbesinnung auf die strengen Regeln des heiligen Benedikt von Nursia, Begründer des westlichen Mönchstums im 6. Jahrhundert.
In der Politik kämpft man allerdings mit harten Bandagen. Im sogenannten Investiturstreit im 11. Jahrhundert geht es um die Frage, ob nun der Papst oder der König Bischöfe einsetzen darf. Der Streit eskaliert schließlich, als Papst Gregor VII. König Heinrich IV. mit einem Bann belegt. Daraufhin macht sich Heinrich auf zum sprichwörtlich gewordenen schweren Gang nach Canossa: Vor den Toren der Burg, in der der Papst weilt, wartet Heinrich 1077 angeblich tagelang barfuß im Schnee, um den Papst, als er sich endlich zeigt, – erfolgreich – um Vergebung zu bitten. Das ist natürlich ein politischer Schachzug des Königs, und derartige Beschreibungen sind nicht für bare Münze zu nehmen, sondern können als typisch mittelalterliche Mischung aus Realität und Fiktion literarische Übertreibungen sein.
Ähnliches gilt für Gregors Kommentar in seinem Dictatus Papae (1075), dass die Fürsten »des Papstes Füße küssen« müssten. So stellt Gregor die geistliche Macht über die weltliche. Eine zugleich herausragende und ambivalente Rolle spielt Gregor VII. für die Entwicklung des Papsttums insofern, als er es weiter von der ursprünglichen Lehre Christi abkoppelt. Zwar bekämpft er die Simonie, die Verweltlichung der Kirche durch Ämterhandel, und folgt dabei scheinbar seinem offiziellen Vorbild Jesus Christus (»Mein Königtum ist nicht von dieser Welt«, Joh. 18,36). Doch plant Gregor Kriege und mit seiner Forderung nach dem Fußkuss verkehrt er die Geste der demütigen Fürsorge und Vergebung, die Jesus macht, indem er seinen Jüngern die Füße wäscht (Joh. 13,1-20), in ihr Gegenteil. Gregor schafft einige Voraussetzungen für die oft skrupellose Interessen- und Klientelpolitik, wie sie das Papsttum bis heute prägt.
Mit dem Wormser Konkordat von 1122 wird ein Kompromiss zwischen weltlicher und geistlicher Macht und insbesondere im Investiturstreit gesucht. So teilt man unter anderem die Befugnisse des Kaisers und des Papstes entsprechend einer Zuständigkeit für Gebiete in Italien und Deutschland auf. Für die Masse der Menschen spielt es allerdings ohnehin keine große Rolle, ob sie kirchlichen oder weltlichen Fürsten unterstehen. Es ist auch nicht so wichtig, welche der – oft
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