Was bisher geschah
Kopfsteuer für Nicht-Muslime. Aufgrund des großen Harems und zahlreicher Ehefrauen streiten sich viele Nachkommen der Sultane um die Nachfolge; die jeweils ausgestochenen Brüder werden ermordet, es herrschen Misstrauen und Missgunst, Intrigen und Putsche mehren sich.
Zugleich geraten die Osmanen – die die Druckerpresse aus religiösen Gründen zunächst verbieten – in den Bereichen Wissenschaft und Militärtechnik im europäischen Vergleich ins Hintertreffen. Nach dem Scheitern der Belagerungen von Wien 1529 und 1683 geht es auch außenpolitisch abwärts. Bald spricht man mit Blick auf das Osmanische Reich vom »kranken Mann am Bosporus«. Trägt im 19. Jahrhundert der aufkommende Nationalismus zur Zersetzung des Vielvölkerstaates bei, verliert das Reich seine Schlüsselstellung für den Orient- und Welthandel schon, als sich mit der Kolonialisierung Amerikas und der Entdeckung des Seewegs nach Indien um 1500 neue Handelsrouten eröffnen.
Basisdemokratie und Frauenrechte – die nordamerikanischen Indianer
Am deutlichsten sind die Unterschiede zwischen Europa und dem Rest der Welt im Mittelalter vielleicht mit Blick auf die Indianer Nordamerikas. Es ist die Zeit, bevor sie von Kolonisten missioniert, misshandelt, mit für sie tödlichen Krankheiten angesteckt und ermordet werden. Es ist aber auch die Zeit, bevor man die Indianer im Sinn von Rousseau oder Karl May als »Edle Wilde« romantisiert. Zwar gibt es nicht eigentlich »die« Indianer, sondern rund 500 bis 1000 Stämme, die unterschiedliche Sprachen sprechen, 100, aber auch 10 000 Angehörige umfassen können und in ihrer Entwicklung oft weit auseinanderliegen, zugespitzt gesagt: Jahrhunderte. Manche leben als Jäger und Sammler, andere als Nomaden oder als Bauern. Doch kann man die Indianerkulturen Nordamerikas im Vergleich zum europäischen Mittelalter insgesamt demokratisch nennen.
Zur geringen Bedeutung von Hierarchien passen das Fehlen der Schrift und die Wissensvermittlung in Gesängen und Erzählungen. Wohl nur ein Einziger der vielen nordamerikanischen Indianerstämme, nämlich die Natchez, bei denen Priesterherrscher regieren, kennt Stände und Klassen wie in Europa. Bei ihnen steht ein Adel über dem armen Volk, »Stinker« genannt. Überall sonst muss sich auch der Häuptling – eine Bezeichnung der Weißen – als lose institutionalisierter Stammesältester, besonders erfahrener Krieger oder Jäger in Ratsversammlungen über Abstimmungen und Wahlen mit anderen arrangieren. In der Praxis sind ohnehin eher die Clans oder sogenannte Horden relevant (engl. band) , eine dörfliche Gemeinschaft von bis zu 100 Menschen, die basisdemokratische Prozeduren erlauben.
Das Bild der Indianerin und ihres gesellschaftlichen Standes war durch die Jahrhunderte von vielen sehr unterschiedlichen, oft gegensätzlichen Vorstellungen und Vorurteilen geprägt. Sie reichen vom Bild der »Squaw« als Sklavin des Mannes – auch des weißen – bis zu Pocahontas (um 1595 – 1617), der Tochter des Häuptlings Powhatan, die selbstbewusst bei Friedensverhandlungen mit weißen Siedlern vermittelt. Insgesamt lässt sich sagen, dass Indianerinnen bei aller Härte des Arbeitslebens zumindest nicht wie Frauen im christlichen Mittelalter unter Generalverdacht für alles und jedes Sündige stehen. Bei den matrilinear organisierten Irokesen trifft die älteste Clanmutter sogar die wichtigsten Entscheidungen. Ansonsten wird zwar teils Keuschheit vor der Ehe verlangt, doch in manchen Stämmen wie bei den Huronen geben die Frauen mit der Zahl ihrer Liebhaber an. Was in Europa nur in Teilen – und je nach Standeszugehörigkeit – möglich ist, scheint bei den Indianerinnen kein Problem zu sein: Sie dürfen Sport treiben, schwimmen, reiten und Ball spielen. In manchen Stämmen dürfen sie mit den Männern jagen oder in den Krieg ziehen.
Eine relativ egalitäre Kultur äußert sich bei den Indianern auch darin, dass sich die Häuser ähneln, seien es Tipis und Wigwams oder Erdhäuser und Langhäuser, die bis zu 100 Meter lang sein können und rund 100 Leuten Platz bieten. Ein ähnlicher Geist kommt in der Grundidee zum Ausdruck, dass jedes Lebewesen seinen Platz im Universum hat, zahlreiche Naturgötter, Welterschaffer und Tiere mit magischen Fähigkeiten nebeneinander existieren. Selbst Manitu, der in der europäischen Literatur zu dem Gott der Indianer wird, ist ursprünglich bei den Algonkin eine allen Dingen innewohnende Macht, die unterschiedlich personifiziert
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