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Was bisher geschah

Was bisher geschah

Titel: Was bisher geschah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Loel Zwecker
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vergiftet er politische Gegner, er kauft Kurtisanen, paktiert außenpolitisch machiavellistisch mit an sich verfeindeten Mächten und kurbelt die Vetternwirtschaft massiv an. Ihn porträtiert Tizian als demütig knienden Gläubigen.
    Insgesamt präsentiert Tizian neben Kaisern, Fürsten und Päpsten diverse Frauen so würdevoll und schön – und entspannt -, dass man gerne vergisst, wie brutal Kurtisanen oft behandelt werden, auch wenn sie mit Glück Reichtum erlangen, an päpstlichen Banketten teilnehmen und in vieler Hinsicht ein freieres Leben als Ehefrauen führen können. Anfang des 16. Jahrhunderts machen die gewerblichen Damen manchen Historikern zufolge ein Fünftel der römischen Bevölkerung aus. Zwar bedeutet die Beteiligung von Frauen an intellektuellen Diskussionen, wie sie Castiglione in seinem Buch Hofmann schildert, einen gewissen Fortschritt, eine minimale Emanzipation zumindest von Damen aus höheren Ständen. Doch de facto sind Frauen weiterhin entrechtet, werden zwangsverheiratet.
    Ein Nebeneffekt des Entwicklungsschubs in der italienischen Kunst von Masaccio, Botticelli, Michelangelo, Leonardo da Vinci und Raffael ist, dass die Nachwelt ein geschöntes Bild von der Neuzeit und der Renaissance hat, die noch im Spätmittelalter beginnt. Denn in ihren Kunstwerken haben die realen Lebensumstände des Volkes wenig Platz – weniger zumindest, als die realistische Gestaltung der Bilder glauben machen könnte. Der Kontrast zwischen Bild und Realität ist umso stärker, als Mentalität, Bildungsstand und materielle Lebensbedingungen sich für die Mehrheit der Bevölkerung bis mindestens ins 17. Jahrhundert kaum von jenen im Mittelalter unterscheiden. Man glaubt an den Teufel, stirbt an der Pest und zahlt hohe Steuern an Fürsten und Päpste. Die systematische Verfolgung von Hexen und ihre Verbrennung bei lebendigem Leib erreichen im 16. und 17. Jahrhundert ihren Höhepunkt und reichen bis weit ins 18. Jahrhundert hinein.
    Trägt die Kunst in der Renaissance zur Manipulation der Massen bei, wird der kritische und souveräne Umgang mit den schönen Bildern auch immer wichtiger. So gehören Bildhauer, Maler und Kunsttheoretiker zunehmend zur einflussreichen Prominenz, mit der sich Kaiser, Päpste und Könige umgeben. Zwischen 1420 und 1540 – von der Frührenaissance bis zum Manierismus – können Künstler einen immensen Statusgewinn, Ruhm und finanzielle Vorteile verbuchen. Traditionell bezeichnet arte schlicht eine handwerkliche Fähigkeit wie die der Wollherstellung; und mit artista ist wiederum jemand gemeint, der die artes liberales , die Sieben Freien Künste der Antike studiert hat (Grammatik, Rhetorik, Dialektik, Arithmetik, Geometrie, Astronomie, Musik). In der Renaissance versteht man einen Maler und Bildhauer nun nicht mehr so sehr als Handwerker, sondern sieht in ihm eine Geistesgröße, deren Fähigkeiten dem göttlichen Wirken nahekommen. Was Image und Einfluss betrifft, so sind die Künstler dieser Zeit heutigen Popstars, Sportlern oder auch IT-Unternehmern wie Bill Gates und Steve Jobs vergleichbar. Als Gestalter von Herrscherporträts und Historienmalereien, aber auch von verschwenderischen Hoffesten und ganzen Stadtteilen werden Künstler kontrovers diskutiert. Man bewundert ihre Bildermacht, ihre technischen Fertigkeiten, ihr PR-Talent, ihren Lebensstil. Auch ohne adelige Abstammung können sie Karriere machen. Herausragende Beispiele sind hier der »göttliche« Michelangelo und Leonardo da Vinci.
    Leonardo da Vinci schafft mit seiner Mona Lisa (um 1503) eines der bekanntesten Kunstwerke. Jahrhundertelang wird man über das rätselhafte Lächeln der Porträtierten spekulieren. Gleichzeitig dient das Gemälde als Projektionsfläche für die Abgründe menschlicher Sehnsüchte. Aber Leonardo wird nicht nur wegen der Mona Lisa weltberühmt, er verkörpert als Universalgenie auch das neuzeitliche Ideal des selbstbewussten Individuums. Er führt naturwissenschaftliche Experimente durch, seziert Tiere und Leichen, macht den Menschen zum Zentrum der Schöpfung – und inszeniert und vermarktet sich selbst. So verfasst er ein Bewerbungsschreiben an Ludovico Sforza: Er bietet dem Mailänder Herzog an, als Ingenieur »Angst und Schrecken verbreitende« Streitwagen und Wurfgeschütze zu bauen, »Wasserleitungen«, aber auch »Skulpturen aus Marmor, Bronze oder Ton zu fertigen sowie alle nur erdenklichen Arten von Gemälden – auch hier kann ich mich mit jedem anderen Künstler messen«.
    Was in

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