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Was bleibt: Kerngedanken (German Edition)

Was bleibt: Kerngedanken (German Edition)

Titel: Was bleibt: Kerngedanken (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Küng
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souveräne Weisheit. Der Mensch hat es so sich selbst zu verdanken, wenn ihm Gottes Handeln willkürlich, gewalttätig vorkommt. Nein, so läßt sich Gott vom Menschen nicht befragen und anklagen. Gott selbst ist es, der befragt, der anklagt. Gott ist Gott. Er gibt nicht Rechenschaft, er fordert Rechenschaft.
    »Da antwortete der Herr dem Hiob
    aus der Wetterwolke und sprach:
    Wer ist’s, der da verdunkelt den Ratschluß
    mit Reden ohne Einsicht ?
    Gürte doch wie ein Mann deine Lenden;
    ich will dich fragen, und du lehre mich!
    Wo warst du, als ich die Erde gründete?
    Sag an, wenn du Bescheid weißt!
    Wer hat ihre Maße bestimmt – du weißt’s ja! –
    oder wer die Meßschnur über sie ausgespannt?« (38,1   –   5)
    So offenbart sich Gott: nicht als der einklagbare gleichberechtigte Partner, sondern als der Schöpfer, dessen unbegreifliche Herrlichkeit reine Weisheit und Güte ist. Gottes ganzes herrliches und geheimnisvolles Schöpfungswerk tut sich vor den Augen des staunenden Menschen auf. Der unermeßliche Reichtum der Schöpfung in ihrer Weite und in ihrer Tiefe, die Wunder der Erde und des Meeres, des Lichtes und des Wetters, der Sterne und der Tiere – weist dies nicht alles darauf hin, daß alles »sehr gut« geschaffen ist und daß das Geschick des Menschen in guten Händen ist? Die allen Menschenverstand übersteigende Unbegreiflichkeit einer Schöpfung, in der gegen alle Ökonomie Regen auf die Steppe geschüttet wird und Wildpferd und Wildstier und die seltsame Straußenhenne ein Leben jenseits aller Nutzbarkeit führen – weist dies alles nicht darauf hin, daß hinter allem der schlechthin freie Unbegreifliche steht? Dessen Walten nicht einem rationalen System vernünftiger Zwecke eingeordnet werden kann und der trotzdem in allem seinen Geschöpfen freundlich zugewandt ist? Und mit diesem weisen und allmächtigen, unbegreiflichen gütigen Schöpfer des Alls soll der kleine Mensch wegen seines Leids rechten wollen?
    »Und der Herr wandte sich an Hiob und sprach:
    Hadern will der Tadler mit dem Allmächtigen?
    Der Gott zurechtwies, gebe darauf Antwort! –
    Da antwortete Hiob dem Herrn und sprach:
    Siehe, ich bin zu gering,
    was soll ich dir antworten?
    Ich lege die Hand auf meinen Mund.
    Einmal habe ich geredet und wiederhole es nicht,
    zweimal, und tue es nicht wieder.« (39,31   –   35)
    Vor den lebendigen Gott gestellt, bleibt dem rebellierenden Menschen nur das Stammeln, nur das Verstummen übrig. Um dieses Gottes willen kann die Welt mit allen ihren Rätseln und all ihrem Übel und Leid bejaht werden. Im Licht der göttlichen Erhabenheit, Herrlichkeit und Allmacht erkennt der Mensch seine eigene Geringheit, Erbärmlichkeit und Ohnmacht. Gibt es für ihn etwas Schlimmeres, als sich in sich selbst zu verkrampfen? Dies aber geschieht, wenn er sich vor Gott selber rechtfertigen will. Das ist mehr als ein Irrtum, das ist Sünde. Das ist ein Angriff auf Gottes Gerechtigkeit: Gott soll ins Unrecht versetzt werden, damit der Mensch Recht behalte.
    »Ich will dich fragen,
    und du lehre mich!
    Willst du gar mein Recht vernichten,
    mir Unrecht geben, daß du Recht behaltest?« (40,2b–3)
    Solange der Mensch selbst das Gute und das Böse zu verrechnen sucht, wozu er weder berechtigt noch fähig ist, bleibt sein Blick auf sich selbst geheftet. Solange er auf sich selbst geheftet ist, kann er nicht frei werden für die Unbegreiflichkeit, Weisheit und Güte Gottes. Nur der Verzicht auf jegliche Selbstrechtfertigung läßt den Menschen den Weg zu Gott finden. Eine letzte Selbstbesinnung bleibt Hiob hier nicht erspart: Nicht wegen einzelner Sünden und Verfehlungen, die er nicht getan, braucht er sich zu quälen. Wohl aber muß er sich über seine verkehrte Grundhaltung klar werden. Ein Unrecht ist es, wenn der Mensch – auch im tiefsten Leid – mit Gott rechten will, wenn er sich ihm gegenüber als der Unschuldige aufspielen will und ihm gegenüber Recht haben will. Gerade so beweist er, daß in seiner Haltung letztlich etwas nicht in Ordnung ist. Daß er offenkundig nicht weiß, mit wem er es zu tun hat. Daß er – die Ursünde – dem guten Gott ein geheimes Mißtrauen entgegenbringt, als ob er dem Menschen nicht wahrhaft gut sei. Dann kommt es so weit, daß er im Leiden einen Angriff Gottes auf sich sieht. Dann kommt es so weit, daß er schließlich in Gott selbst seinen heimlichen Feind sieht.
    Wie ganz anders aber ist der lebendige Gott! Kann der Mensch anders als überwältigt sein vor

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