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Was bleibt: Kerngedanken (German Edition)

Was bleibt: Kerngedanken (German Edition)

Titel: Was bleibt: Kerngedanken (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Küng
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Pflichtenkanon mit weltweitem Geltungsanspruch«, wie man ihr unterstellt hat. Man sollte doch keine Gespenster an die Wand malen in einer Zeit, da selbst Papst und Kurialapparat auch in ihrem ureigenen Bereich (von der Welt außerhalb zu schweigen) ihre vergesetzlichten autoritären Moralauffassungen nicht mehr durchsetzen können. Entscheidend: Die Menschenpflichten-Erklärung zielt also gerade nicht auf rechtliche Kodifizierung , die bezüglich sittlicher Haltungen wie Wahrhaftigkeit oder Fairneß ohnehin nicht möglich ist. Sie zielt auf freiwillige Selbstverpflichtung . Eine solche kann natürlich in einzelnen Fällen oder etwa institutionenbezogen zu rechtlichen Regelungen führen, aber von einer grundsätzlichen rechtlichen Verbindlichkeit sollte bei einer Erklärung der Menschenpflichten nicht die Rede sein, wohl aber von einer moralischen .
    Die »Pflicht«, aber auch das »Recht« kann mißbraucht werden
    1. Gerade wenn man eine Revision der Erklärung der Menschenrechte ablehnt (und eine solche wird sicher auch vom IAC abgelehnt), sollte man sich für eine Erklärung der Menschenpflichten einsetzen. Das Eintreten vieler Asiaten für Pflichten – in Konfuzianismus, Hinduismus, Buddhismus und Islam traditionell – von vornherein als Autoritarismus und Paternalismus zu diskreditieren, ist wirklichkeitsblind und eurozentrisch-arrogant. Daß dabei die Einklage von Pflichten oft von politischen Interessen gesteuert ist, liegt auf der Hand. Das aber macht die Forderung nach Pflichten ebensowenig pauschal unglaubwürdig, wie die Forderung nach Freiheit schon deshalb diskreditiert ist, weil sie von Raubritterkapitalisten oder Sensationsjournalisten mißbraucht wird. Zu meinen, autoritäre Systeme würden gerade auf eine Pflichtenerklärung warten und würden auch in Zukunft auf eine Pflichtenerklärung angewiesen sein, um ihr autoritäres System aufrechtzuerhalten, ist lächerlich. Vielmehr können autoritäre Systeme in Zukunft eindringlicher als bisher etwa auf ihre – in keinem Menschenrecht enthaltene – Pflicht zur Wahrhaftigkeit und Toleranz kritisch angesprochen werden. Und dies kann durchaus Wirkungen haben. Autoritäre Systeme wie das Polens, der DDR , der Tschechoslowakei, der Sowjetunion, der Philippinen oder Südafrikas sind ja nicht zuletzt aufgrund moralischer Argumentationen und Demonstrationen ohne Blutvergießen gestürzt worden, mit Forderungen nach »Wahrheit«, »Freiheit«, »Gerechtigkeit«, »Solidarität«, »Menschlichkeit«, Parolen, die über die Menschenrechte vielfach hinausgingen. Man soll also Menschenrechte und Menschenpflichten im Zusammenhang sehen. Eine Menschenpflichten-Erklärung kann ebenso wie die Menschenrechte-Erklärung ungezählten Menschen als Referenzdokument dienen – was nicht zuletzt für Erziehung und Schule von Bedeutung sein kann.
    2. Natürlich wird es Europäern, und Deutschen besonders, eine Warnung sein müssen: Der Begriff Pflicht ist in seiner jüngeren Geschichte schändlich mißbraucht worden. Von totalitären, autoritären, hierarchischen Ideologien aller Art wurde die »Pflicht« (gegenüber Vorgesetzten, dem Führer, dem Volk, der Partei, auch dem Papst) eingehämmert. Von daher lassen sich die Angstprojektionen (»autoritärer Staat«, »Paternalismus« …) verstehen, die zur politischen und psychologischen, ja sogar moralischen und letztlich auch sprachlichen Tabuisierung des Wortes »Pflicht« geführt haben. Aber sollen uns Mißbräuche hindern, einen Begriff positiv aufzunehmen, der seit Cicero und Ambrosius eine lange Geschichte hat, durch Kant zu einem Schlüsselbegriff der Moderne wurde und auch heute unersetzlich erscheint? Keine Angst also vor dem Ethos: Pflicht drängt zwar moralisch, aber zwingt nicht. Sie folgt primär aus der nicht rein technischen oder ökonomischen, sondern ethischen Vernunft, die den Menschen , dem es eigen ist, sich in Freiheit entscheiden zu können, zu moralischem Handeln anhält und drängt. Und dabei bedenke man:
    3. Nicht nur Pflichten, auch Rechte lassen sich mißbrauchen : dann nämlich wenn sie erstens konstant ausschließlich zum eigenen Vorteil gebraucht und wenn sie, zweitens , ständig maximal bis hin zu ihren äußersten Möglichkeiten ausgenützt werden. Wer seine Pflichten vernachlässigt, untergräbt schließlich auch die Rechte. Selbst der Staat würde gefährdet, wenn seine Bürger von diesen keinen sinnvollen Gebrauch machen und sie zu purem Eigennutz gebrauchten. Ja, nicht einmal Amnesty

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