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Was bleibt: Kerngedanken (German Edition)

Was bleibt: Kerngedanken (German Edition)

Titel: Was bleibt: Kerngedanken (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Küng
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durchzusetzen. In den nächsten fünf Jahren etwa müßten in den USA wegen der neuen Drogenwelle (so schätzt der National Council on Crime and Delinquency) für 460.000 neue Gefangene neue Zellen gebaut und insgesamt 35   Milliarden Dollar ausgegeben werden. Schon aus wirtschaftlichen Gründen also kann die Forderung nach mehr Überwachung, Polizei, Gefängnissen und schärferen Gesetzen nicht die einzige Lösung sein, um mit solch schwerwiegenden Problemen unserer Zeit fertig zu werden. Neben der Frage der zu finanzierenden Umstellung der Kokainanpflanzung in Südamerika geht es doch offensichtlich zugleich um ein Grundproblem der Erziehung (Familie, Schule, Gruppe, Öffentlichkeit) in Nordamerika (und Europa). »Quid leges sine moribus«, heißt ein römisches Dictum: was sollen Gesetze ohne Sitten!?
    Gewiß: Alle Staaten der Welt haben eine Wirtschafts- und Rechtsordnung, aber in keinem Staat der Welt wird sie funktionieren ohne einen ethischen Konsens, ohne ein Ethos ihrer Staatsbürger/innen, aus dem der demokratische Rechtsstaat lebt. Gewiß: auch die internationale Staatengemeinschaft hat bereits transnationale, transkulturelle, transreligiöse Rechtsstrukturen geschaffen (ohne die internationale Verträge ja purer Selbstbetrug wären); was aber ist eine Weltordnung ohne ein – bei aller Zeitgebundenheit – verbindendes und verbindliches Ethos für die gesamte Menschheit, ohne ein Weltethos ? Nicht zuletzt der Weltmarkt erfordert ein Weltethos! Räume mit schlechthin unterschiedlicher oder gar in zentralen Punkten widersprüchlicher Ethik wird sich die Weltgesellschaft weniger denn je leisten können. Was nützen ethisch fundierte Verbote in dem einen Land (man denke an bestimmte Finanz- und Börsenmanipulationen oder an aggressive gentechnologische Forschungen), wenn sie durch Ausweichen in andere Länder unterlaufen werden können? Ethik, wenn sie zum Wohle aller funktionieren soll, muß unteilbar sein. Die ungeteilte Welt braucht zunehmend das ungeteilte Ethos! Die postmoderne Menschheit braucht gemeinsame Werte, Ziele, Ideale, Visionen.
    »Projekt Weltethos« (1990), S.   53   –   57.

Nicht nur Rechte, auch Pflichten
    Auf Grundlage der Weltethos-Erklärung des Parlaments der Weltreligonen (1993) hat der InterAction Council ehemaliger Staats- und Regierungschefs den Entwurf einer »Allgemienen Erklärung der Menschenpflichten« vorgelegt. Hans Küng zeigt auf, wie Rechte und Verantwortlichkeiten einander bedingen, und daß das Ethos das Recht stützt.
    Menschenpflichten stärken Menschenrechte
    1. Einzelne Menschenrechts-Aktivisten, die von der neuen Problematik und Aktualität der Menschenpflichten offensichtlich überrascht wurden, reagierten zunächst verwirrt auf den Vorschlag einer Pflichtenerklärung. Ich spreche hier nicht von jenen One-issue-people, die mit Jeremiaden und Untergangsszenarios sämtliche Weltprobleme unter einen einzigen Gesichtspunkt zwingen (etwa dem an sich berechtigten der Ökologie oder was immer sie als Summierung und Erlösung aller Weltprobleme ansehen) und die ihre mono-dimensionale, oft monokausale Weltsicht (Carl Amerys »biosphärische Perspektive«) der ganzen Welt aufdrängen wollen, statt, wie dies in der Pflichtenerklärung geschieht, die Vielschichtigkeit und Vieldimensionalität des menschlichen Lebens und der gesellschaftlichen Wirklichkeit ernst zu nehmen. Ich spreche vielmehr von differenziert argumentierenden Menschenrechts-Aktivisten wie etwa dem deutschen Generalsekretär von Amnesty international, Volkmar Deile. Er bejaht im Prinzip »ein notwendiges Minimum an gemeinsamen ethischen Werten, Grundhaltungen und Maßstäben, auf die sich alle Religionen, Nationen und Interessengruppen verpflichten können«, doch hat er Bedenken gegenüber einer eigenen Erklärung der Menschenpflichten. Diese scheinen mir überlegenswert, auch wenn ich sie letztlich nicht teilen kann. Der Hauptgrund ist: Eine Erklärung über Menschenpflichten fügt der Erklärung der Menschenrechte nicht den geringsten Schaden zu. Die hier zitierten UN-Kommissionen und andere internationale Gremien jedenfalls sind derselben Meinung: Eine Besinnung auf die Menschenpflichten schadet der Realisierung der Menschenrechte nicht. Im Gegenteil: Sie fördert sie. Doch sehen wir genauer zu:
    2. Eine Menschenpflichten-Erklärung unterstützt und untermauert die Menschenrechte-Erklärung vom Ethos her , wie es programmatisch schon in der Präambel heißt: »Wir … erneuern und verstärken

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