Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Was bleibt: Kerngedanken (German Edition)

Was bleibt: Kerngedanken (German Edition)

Titel: Was bleibt: Kerngedanken (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Küng
Vom Netzwerk:
hiermit die schon durch die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte proklamierten Verpflichtungen: die volle Akzeptanz der Würde aller Menschen, ihrer unveräußerlichen Freiheit und Gleichheit und ihrer Solidarität untereinander.« Wenn die Menschenrechte vielerorts, wo sie durchgesetzt werden könnten, nicht realisiert werden, fehlt es ja zumeist am politischen und ethischen Willen. Läßt sich doch nicht bestreiten, daß »die Herrschaft des Rechts und die Förderung der Menschenrechte abhängen von der Bereitschaft von Männern wie Frauen, gerecht zu handeln«. Dies wird auch kein Kämpfer für Menschenrechte bestreiten.
    3. Selbstverständlich wäre es falsch zu meinen, die rechtliche Gültigkeit der Menschenrechte sei abhängig von der faktischen Realisierung der Pflichten. »Menschenrechte – Belohnung für menschliches Wohlverhalten«: Wer wollte denn solchen Unsinn behaupten? Dies würde ja bedeuten, daß Rechte nur dem zukämen, der sich durch Pflichterfüllung gegen die Gemeinschaft als ihrer würdig erwiesen hätte. Dies verstieße eindeutig gegen die voraussetzungslose Würde der menschlichen Person , welche ihrerseits Voraussetzung sowohl der Rechte wie der Pflichten ist. Kein Mensch hat behauptet, es müßten zuerst bestimmte Menschenpflichten erfüllt werden, vom einzelnen oder von einer Gemeinschaft, bevor man Menschenrechte beanspruchen könne. Diese sind mit der menschlichen Person gegeben, die freilich immer zugleich Trägerin von Rechten und von Pflichten ist: »Alle Menschenrechte sind qua Definition mit der Pflicht zu ihrer Einhaltung direkt verbunden« (V. Deile). Rechte und Pflichten sind gewiß sauber zu unterscheiden, aber auch nicht voneinander zu trennen. Ihr Verhältnis ist differenziert zu beschreiben. Es geht nicht um äußerlich zu addierende oder substrahierende Quantitäten, sondern um zwei untereinander in Beziehung stehende Dimensionen des Menschseins im individuellen wie gesellschaftlichen Bereich.
    4. Keine Rechte ohne Pflichten : Das Anliegen als solches ist keineswegs neu, sondern geht auf die »Gründerzeit« der Menschenrechte zurück. Schon in der Menschenrechtsdebatte des französischen Revolutionsparlaments von 1789 wurde die Forderung erhoben: Wenn man eine Deklaration der Rechte des Menschen proklamiere, so müsse man damit eine Deklaration der Pflichten des Menschen verbinden. Sonst hätten am Ende alle Menschen nur Rechte, die sie gegeneinander ausspielen würden, aber niemand würde mehr die Pflichten kennen, ohne welche diese Rechte nicht funktionieren können. Und wir 200   Jahre nach der Großen Revolution? Wir leben in der Tat weitgehend in einer Gesellschaft, in der einzelne Gruppen nur zu oft Rechte gegen andere geltend machen, ohne für sich selber irgendwelche Pflichten zu erkennen. Dies liegt gewiß nicht an den kodifizierten Menschenrechten als solchen, wohl aber an bestimmten Fehlentwicklungen, die durchaus mit ihnen zu tun haben und die im Bewußtsein vieler zu einem Übergewicht der Rechte gegenüber den Pflichten geführt haben. Statt der angestrebten Kultur der Menschenrechte vielfach eine Unkultur überzogener Rechtsansprüche, welche die Intentionen der Menschenrechte ignoriert. Das »Gleichgewicht von Freiheit, Gleichheit und Teilhabe« ist eben nicht einfach »vorhanden«, sondern muß immer wieder neu verwirklicht werden. Leben wir doch unbestreitbar in einer Anspruchsgesellschaft, die sich oft auch als »Rechtsanspruchsgesellschaft«, ja »Rechtsstreitgesellschaft« präsentiert und – so hat man die Bundesrepublik Deutschland genannt – den Staat zu einem« Justizstaat« macht (so der Rechtshistoriker S. Simon). Ob sich also nicht vielleicht gerade in unseren überentwickelten Rechtsstaaten bei allem berechtigten Insistieren auf Rechten eine neue Konzentration auf die Pflichten nahelegt?
    5. Die »weltumspannende Realität schwerer Menschenrechtsverletzungen« (V. Deile) sollte es gerade professionellen Menschenrechts-Kämpfern und -Kämpferinnen, die die Menschenrechte »bedingungslos« verteidigen wollen, deutlich machen, wie sehr eine Deklaration und Explikation der Menschenrechte dort ins Leere stößt, wo Menschen und besonders Machthaber ihre humanen Pflichten ignorieren (»Was geht das mich an!«), vernachlässigen (»Ich habe nur die Interessen meiner Firma zu vertreten!«), gar nicht wahrnehmen (»Dafür sind Kirchen und Caritas zuständig!«) oder ihre Erfüllung verlogen schlicht vortäuschen (»Wir, die Regierung, die

Weitere Kostenlose Bücher