Was bleibt: Kerngedanken (German Edition)
Konzernleitung, tun alles, was wir tun können!«). Die »Schwäche der Menschenrechte« liegt in der Tat nicht im Konzept selbst begründet, »sondern im fehlenden politischen [und – würde ich hinzufügen – sittlichen] Willen der verantwortlichen Akteure« (V. Deile). Das heißt im Klartext: Es bedarf zur effektiven Realisierung der Menschenrechte des ethischen Impulses und der normativen Motivation ! Das haben viele Menschenrechts-Kämpferinnen und -Kämpfer an den Fronten dieser Welt, die ihr »Ja zum Weltethos« bekennen, bereits ausdrücklich bekräftigt. Deshalb gilt: Wer effektiv für die Menschenrechte eintreten will, sollte einen neuen moralischen Impuls und ethischen Orientierungsrahmen begrüßen und ihn nicht zu eigenem Nachteil abwehren.
6. Der ethische Orientierungsrahmen der Menschenpflichten-Erklärung greift in mancher Hinsicht über die Menschenrechte hinaus, die nun einmal nur für ganz bestimmte Bereiche »klar sagen, was geboten und verboten ist« (V. Deile). Die Menschenrechte-Erklärung erhebt auch gar nicht ausdrücklich einen solchen umfassenden moralischen Anspruch. Eine Menschenpflichten-Erklärung muß da sehr viel weiter ausgreifen und tiefer ansetzen. Und schon die beiden Grundprinzipien der Menschenpflichten-Erklärung bieten eine ebenso umfassende wie grundlegende ethische Orientierung für den Alltag: die Grundforderung »Jeder Mensch muß menschlich behandelt werden« und die Goldene Regel »Was du nicht willst, das man dir tut, das tu auch nicht den anderen«. Von den konkreten Forderungen der Pflichten-Erklärung nach Wahrhaftigkeit, Gewaltlosigkeit, Fairneß, Solidarität, Partnerschaft usw. ganz zu schweigen. Wo die Menschenrechte-Erklärung offen lassen muß, was sittlich erlaubt ist und was nicht, in der Menschenpflichten-Erklärung wird es – nicht als Gesetz, sondern als moralischer Imperativ – gesagt. Deshalb: Die Pflichten-Erklärung »eröffnet die Möglichkeit zu einer – demokratischen – Selbstverständigung darüber, was richtig und falsch, was erlaubt und verboten, ja sogar was gut und was böse ist. Die Verantwortung, sich überhaupt für diese wesentlichen Fragen zu interessieren, gibt das Manifest an den einzelnen zurück. Damit ist es nicht paternalistisch, sondern – was denn sonst? – politisch« (S. Gaschke).
7. Wenn die Menschenrechte-Erklärung zumeist »anonym« formuliert, da sie ja weniger auf das (zu schützende) Individuum als auf den (in seiner Macht zu beschränkenden) Staat zielt, wendet sich die Menschenpflichten-Erklärung zwar auch an Staat und Institutionen, aber doch in erster Linie und sehr direkt an die verantwortlichen Personen : Immer wieder heißt es: »Jeder Mensch« oder »jede Person«, ja, es werden bestimmt Berufsgruppen, denen in unserer Gesellschaft eine besondere Verantwortung zukommt (Politiker, Beamte, Wirtschaftsführer, Schriftsteller, Künstler, Ärzte, Juristen, Journalisten, Religionsführer …) ausdrücklich angesprochen, aber niemand ausgesondert. Es sei nicht bestritten, daß eine solche Pflichtenerklärung eine Herausforderung bedeutet im Zeitalter des Beliebigkeitspluralismus, zumindest für die »Individualisierungsgewinner« auf Kosten anderer und für alle jene, die als einzige »moralische« Norm anerkennen »Wenn es nur Spaß macht« oder »meiner Selbstverwirklichung dient«. Doch geht es in der Erklärung nicht um eine neue »Gemeinschaftsideologie«, wie man sie den Kommunitariern um Amitai Etzioni zu Unrecht vorwirft; diese wollen jedenfalls keine »Tyrannei des Gemeinsinns« aufrichten und die Menschen gar von individueller Verantwortung entlasten. Letzeres tun vielmehr deren oberflächlich-moralische Gegenspieler, die unter fataler Verkennung der Krise der Gegenwart ein »Bekenntnis zur egoistischen Gesellschaft« oder die »Tugend der Orientierungslosigkeit und Bindungslosigkeit« als Weg in die Zukunft propagieren zu müssen meinen.
8. Wie die Menschenrechte-Erklärung, so ist also auch die Menschenpflichten-Erklärung primär ein moralischer Appell . Er besitzt als solcher ebenfalls keine direkt völkerrechtliche Verbindlichkeit, proklamiert aber vor der Weltöffentlichkeit einige Grundnormen für kollektives und individuelles Verhalten, die für jedermann gelten. Dieser Appell soll sich natürlich auch in der rechtlichen und politischen Praxis auswirken, strebt aber keine Verrechtlichung der Moral an. Die Pflichtenerklärung ist keine »Blaupause für einen rechtlich verbindlichen
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