Was bleibt: Kerngedanken (German Edition)
Ostervorstellungen. Eine wahrhaft umwälzende Botschaft, sehr leicht zurückzuweisen freilich schon damals, nicht erst heute: »Darüber wollen wir dich ein ander Mal hören«, sagten auf Athens Areopag nach lukanischer Darstellung einige Skeptiker schon dem Apostel Paulus. Aufgehalten hat das den Siegeszug der Botschaft freilich nicht.
Der Gekreuzigte lebt ? Was heißt hier »leben«? Was verbirgt sich hinter den verschiedenen zeitgebundenen Vorstellungsmodellen und Erzählungsformen, die das Neue Testament dafür gebraucht? Wir versuchen dieses Leben zu umschreiben mit zwei negativen Bestimmungen und einer positiven.
1. Keine Rückkehr in dieses raumzeitliche Leben : Der Tod wird nicht rückgängig gemacht, sondern definitiv überwunden. In Friedrich Dürrenmatts Schauspiel »Meteor« kommt es zu einer Wiederbelebung eines (freilich fingierten) Leichnams, der in ein völlig unverändertes irdisches Leben zurückkehrt – das klare Gegenteil von dem, was das Neue Testament unter Auferweckung versteht. Mit den Totenerweckungen, vereinzelt in der antiken Literatur von Wundertätern (sogar mit Arztzeugnissen beglaubigt) und in drei Fällen auch von Jesus (Tochter des Jairus, Jüngling von Nain, Lazarus) berichtet, darf Jesu Auferweckung nicht verwechselt werden. Auch ganz abgesehen von der historischen Glaubwürdigkeit solcher legendärer Berichte (Markus etwa weiß nichts von der sensationellen Totenerweckung des Lazarus): gerade die vorübergehende Wiederbelebung eines Leichnams ist mit der Auferweckung Jesu nicht gemeint. Jesus ist – selbst bei Lukas – nicht einfach in das biologisch-irdische Leben zurückgekehrt, um wie die von ihrem Tod Aufgeweckten schließlich erneut zu sterben. Nein, nach neutestamentlichem Verständnis hat er den Tod, diese letzte Grenze, endgültig hinter sich. Er ist in ein ganz anderes, unvergängliches, ewiges, »himmlisches« Leben eingegangen: in das Leben Gottes, wofür schon im Neuen Testament sehr verschiedene Formulierungen und Vorstellungen gebraucht werden.
2. Keine Fortsetzung dieses raumzeitlichen Lebens : Schon die Rede von »nach« dem Tod ist irreführend: die Ewigkeit ist nicht bestimmt durch Vor und Nach. Sie meint vielmehr ein die Dimensionen von Raum und Zeit sprengendes neues Leben in Gottes unsichtbarem, unvergänglichem, unbegreiflichem Bereich: Nicht einfach ein endloses »Weiter«: Weiterleben, Weitermachen, Weitergehen. Sondern ein endgültig »Neues«: Neuschöpfung, Neugeburt, neuer Mensch und neue Welt. Was die Rückkehr des ewig gleichen »Stirb und werde« endgültig durchbricht. Definitiv bei Gott sein und so das endgültige Leben haben, das ist gemeint. Und für alles jenseits von Raum und Zeit ist nach Immanuel Kant die reine, theoretische Vernunft nicht zuständig.
3. Vielmehr Aufnahme in die letzte Wirklichkeit: Will man nicht bildhaft reden, so müssen Auferweckung (Auferstehung) und Erhöhung (Entrückung, Himmelfahrt, Verherrlichung) als ein identisches, einziges Geschehen gesehen werden. Und zwar als ein Geschehen in Zusammenhang mit dem Tod in der unanschaulichen Verborgenheit Gottes. Die Osterbotschaft besagt in allen so verschiedenen Varianten schlicht das eine: Jesus ist nicht ins Nichts hinein gestorben. Er ist im Tod und aus dem Tod in jene unfassbare und umfassende letzte Wirklichkeit hineingestorben , von ihr aufgenommen worden, die wir mit dem Namen Gott bezeichnen.
Wo der Mensch sein Eschaton, das Allerletzte seines Lebens erreicht, was erwartet ihn da? Nicht das Nichts, das würden auch Nirwana-Gläubige sagen. Sondern jenes Alles, das für Juden, Christen und Moslems Gott ist. Tod ist Durchgang zu Gott, ist Einkehr in Gottes Verborgenheit, ist Aufnahme in seine Herrlichkeit. Dass mit dem Tod alles aus sei, kann strenggenommen nur ein Gottloser sagen.
Im Tod wird der Mensch aus den ihn umgebenden und bestimmenden Verhältnissen entnommen. Von der Welt her, gleichsam von außen, bedeutet der Tod völlige Beziehungslosigkeit. Von Gott her aber, gleichsam von innen, bedeutet der Tod eine völlig neue Beziehung: zu ihm als der letzten Wirklichkeit. Im Tod wird dem Menschen, und zwar dem ganzen und ungeteilten Menschen, eine neue ewige Zukunft angeboten. Ein Leben anders als alles Erfahrbare: in Gottes unvergänglichen Dimensionen. Also nicht in unserem Raum und in unserer Zeit: »hier« und »jetzt« im »Diesseits«. Aber auch nicht einfach in einem anderen Raum und in einer anderen Zeit: ein »Drüben« oder »Droben«, ein
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