Was bleibt: Kerngedanken (German Edition)
»Außerhalb« oder »Oberhalb«, ein »Jenseits«. Der letzte, entscheidende, ganz andere Weg des Menschen führt nicht hinaus ins Weltall oder über dieses hinaus. Sondern – wenn man schon in Bildern reden will – gleichsam hinein in den innersten Urgrund, Urhalt, Ursinn von Welt und Mensch: aus dem Tod ins Leben, aus dem Sichtbaren ins Unsichtbare, aus dem sterblichen Dunkel in Gottes ewiges Licht. In Gott hinein ist Jesus gestorben, zu Gott ist er gelangt: aufgenommen in jenen Bereich, der alle Vorstellungen übersteigt, den keines Menschen Auge je geschaut hat, unserem Zugreifen, Begreifen, Reflektieren und Phantasieren entzogen! Nur das weiß der Glaubende: nicht das Nichts erwartet ihn, sondern sein Vater.
Aus dieser negativen und positiven Bestimmung folgt: Tod und Auferweckung bilden eine differenzierte Einheit . Will man die neutestamentlichen Zeugnisse nicht gegen ihre Intention interpretieren, darf man aus der Auferweckung nicht einfach ein »Interpretament«, ein Ausdrucksmittel des Glaubens für das Kreuz machen:
Auferweckung ist Sterben in Gott hinein: Tod und Auferweckung stehen in engstem Zusammenhang. Die Auferweckung geschieht mit dem Tod, im Tod, aus dem Tod. Am schärfsten wird das herausgestellt in frühen vorpaulinischen Hymnen, in denen Jesu Erhöhung schon vom Kreuz aus zu erfolgen scheint. Und besonders im Johannesevangelium, wo Jesu »Erhöhung« zugleich seine Kreuzigung wie seine »Verherrlichung« meint und beides die eine Rückkehr zum Vater bildet. Aber im übrigen Neuen Testament folgt die Erhöhung auf die Niedrigkeit des Kreuzes:
Das In-Gott-hinein-Sterben ist keine Selbstverständlichkeit, keine natürliche Entwicklung, kein unbedingt zu erfüllendes Desiderat der menschlichen Natur: Tod und Auferweckung müssen in ihrem nicht notwendig zeitlichen, aber sachlichen Unterschied gesehen werden. Wie das auch durch die alte, vermutlich weniger historische als theologische Angabe »auferstanden am dritten Tag« – »drei« nicht als Kalenderdatum, sondern als Heilsdatum für einen Heilstag – betont wird. Der Tod ist des Menschen Sache, die Auferweckung kann nur Gottes sein: Von Gott wird der Mensch in ihn als die unfassbare, umfassende letzte Wirklichkeit aufgenommen, gerufen, heimgeholt, also endgültig angenommen und gerettet. Im Tod, oder besser: aus dem Tod, als ein eigenes Geschehen, gründend in Gottes Tat und Treue. Die verborgene, unvorstellbare, neue Schöpfertat dessen, der das, was nicht ist, ins Dasein ruft. Und deshalb – und nicht als supranaturalistischer »Eingriff« gegen die Naturgesetze – ein echtes Geschenk und wahres Wunder.
Radikalisierung des Gottesglaubens
Braucht man noch eigens hervorzuheben, dass das neue Leben des Menschen, weil es um die letzte Wirklichkeit, um Gott selber geht, von vornherein eine Angelegenheit des Glaubens ist? Es geht um ein Geschehen der Neuschöpfung, welches den Tod als letzte Grenze und damit überhaupt unseren Welt- und Denkhorizont sprengt. Bedeutet es doch den definitiven Durchbruch in die wahrhaft andere Dimension des eindimensionalen Menschen: die offenbare Wirklichkeit Gottes und die in die Nachfolge rufende Herrschaft des Gekreuzigten.
Nichts leichter als dies zu bezweifeln! Ich habe schon betont, dass die »reine Vernunft« sich hier vor eine unübersteigbare Grenze gestellt sieht: Kant ist zuzustimmen. Auch durch historische Argumente lässt sich die Auferweckung nicht beweisen; da versagt die traditionelle Apologetik. Weil es der Mensch hier mit Gott, und das heißt per definitionem mit dem Unsichtbaren, Ungreifbaren, Unverfügbaren zu tun hat, ist nur eine Form des Verhaltens angemessen, herausgefordert: gläubiges Vertrauen, vertrauender Glaube . Am Glauben vorbei führt kein Weg zum Auferweckten und zum ewigen Leben. Die Auferweckung ist kein beglaubigendes Mirakel. Sie ist selber Gegenstand des Glaubens.
Der Auferweckungsglaube ist jedoch – dies ist gegenüber allem Unglauben und Aberglauben zu sagen – nicht der Glaube an irgendeine unverifizierbare Kuriosität, die man auch noch »dazu« glauben müsste. Der Auferweckungsglaube ist auch nicht Glaube an das Faktum der Auferweckung oder an den Auferweckten isoliert genommen, sondern ist grundsätzlich Glaube an Gott, dem der Tote die Auferweckung verdankt:
Der Auferweckungsglaube ist deshalb nicht ein Zusatz zum Gottesglauben, sondern eine Radikalisierung des Gottesglaubens : Ein Glaube an Gott, der nicht auf halbem Weg anhält, sondern den Weg
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