Was bleibt: Kerngedanken (German Edition)
Sterbens: Jesus starb nicht nur in – bei Lukas und Johannes abgemilderter – Menschenverlassenheit, sondern in uneingeschränkter Gottverlassenheit . Und erst hier kommt die tiefste Tiefe dieses Sterbens zum Ausdruck, welche diesen Tod von dem so oft mit ihm verglichenen »schönen Tod« des der Gottlosigkeit und Jugendverführung angeklagten Sokrates oder mancher stoischer Weiser unterscheidet. Restlos war Jesus dem Leiden ausgesetzt. Von Heiterkeit, innerer Freiheit, Überlegenheit, Seelengröße ist in den Evangelien nicht die Rede. Kein humaner Tod nach siebzig Jahren in Reife und Ruhe, mild durch Vergiftung mit dem Schierling. Sondern ein allzu früher, alles abbrechender, total entwürdigender Tod von kaum erträglicher Not und Qual. Ein Tod, bestimmt nicht durch überlegene Gelassenheit, sondern eine nicht mehr zu überbietende allerletzte Verlassenheit! Aber gerade so: Gibt es einen Tod, der die Menschheit in ihrer langen Geschichte mehr erschüttert und vielleicht auch erhoben hat als dieser in der Grenzenlosigkeit seines Leidens so unendlich menschlich-unmenschliche Tod?
Die einzigartige Gottesgemeinschaft, in der sich Jesus wähnte, machte auch seine einzigartige Gottesverlassenheit aus. Dieser Gott und Vater, mit dem er sich bis zum Ende völlig identifiziert hatte, identifizierte sich am Ende nicht mit ihm. Und so schien alles wie nie gewesen: umsonst . Er, der die Nähe und Ankunft Gottes, seines Vaters, öffentlich vor aller Welt angekündigt hatte, stirbt in dieser völligen Gottverlassenheit und wird so öffentlich vor aller Welt als Gottloser demonstriert: ein von Gott selbst Gerichteter, der ein für alle Male erledigt ist: »Eloi, eloi, lema sabachthani«, das heißt: »Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?« Und nachdem die Sache, für die er gelebt und gekämpft hatte, so sehr an seine Person gebunden war, fiel mit seiner Person auch seine Sache. Eine von ihm unabhängige Sache gibt es nicht. Wie hätte man seinem Wort glauben können, nachdem er in dieser himmelschreienden Weise verstummte und verschied?
Vor der bei jüdischen Hingerichteten üblichen Verscharrung ist der Gekreuzigte bewahrt worden. Nach römischer Sitte konnte der Leichnam Freunden oder Verwandten überlassen werden. Kein Jünger, so wird berichtet, aber ein einzelner Sympathisant, der nur an dieser Stelle erscheinende Ratsherr Josef von Arimathia, anscheinend später nicht Glied der Gemeinde, läßt den Leichnam in seinem Privatgrab beisetzen. Nur einige Frauen, die der Kreuzigung von ferne zugeschaut hatten, sind Zeugen. Schon Markus hat auf die offizielle Feststellung des Todes Gewicht gelegt. Und nicht nur er, sondern auch schon das von Paulus überlieferte alte Glaubensbekenntnis betont das Faktum des Begräbnisses, das nicht zu bezweifeln ist. Aber so groß in der damaligen Zeit das religiöse Interesse an den Gräbern der jüdischen Märtyrer und Propheten war, zu einem Kult um das Grab Jesu von Nazaret ist es merkwürdigerweise nicht gekommen.
»Jesus« (2012), S. 199 – 231.
Tod und danach? Auferweckung Jesu
Die Frage nach der Auferweckung Jesu erhält schon in Christsein (1974) eine sehr dichte Antwort, in der Hans Küng sein Gottesbild, sein Bild von Jesus Christus und seine Auffassungen vom Menschen zusammenfließen lässt – in intensiver Auseinandersetzung mit Exegese und philosophischen Diskussionen. Es ist einer der zentralen Texte von Küngs Theologie überhaupt.
Die Botschaft mit all ihren Schwierigkeiten, ihren zeitgebundenen Konkretisierungen und Ausmalungen, situationsbedingten Erweiterungen, Ausgestaltungen und Akzentverschiebungen zielt im Grunde auf etwas Einfaches. Und darin stimmen die verschiedenen urchristlichen Zeugen, Petrus, Paulus und Jakobus, die Briefe, die Evangelien und die Apostelgeschichte durch alle Unstimmigkeiten und Widersprüchlichkeiten der verschiedenen Traditionen bezüglich Ort und Zeit, Personen und Ablauf der Ereignisse überein: Der Gekreuzigte lebt für immer bei Gott – als Verpflichtung und Hoffnung für uns! Die Menschen des Neuen Testaments sind getragen, ja fasziniert von der Gewissheit, dass der Getötete nicht im Tod geblieben ist, sondern lebt, und dass, wer an ihn sich hält und ihm nachfolgt, ebenfalls leben wird. Das neue, ewige Leben des Einen als Herausforderung und reale Hoffnung für alle!
Dies also sind Osterbotschaft und Osterglaube – völlig eindeutig trotz aller Vieldeutigkeit der verschiedenen Osterberichte und
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