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Was danach geschah

Was danach geschah

Titel: Was danach geschah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Kimmel
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Tad zu bitten, Otto eine Pause zu gönnen. Otto war verwundert über diesen gefallenen Engel, über den er nur schreckliche Dinge gehört hatte, der aber seinem Vater so verblüffend ähnlich sah. Plötzlich kam er ihm wie sein einziger Freund auf der Welt vor. Otto liebte ihn auf Anhieb.
    Doch Tad wurde wütend. Wie konnte sein Vater es wagen, unaufgefordert hier aufzukreuzen und ihn zu kritisieren? Die Worte, die zwischen den beiden fielen, waren grob – Worte, die fünfzehn Jahre zuvor hätten gesagt werden müssen, als man sie noch verstanden und die Liebe zwischen den beiden noch einiges geheilt hätte. Doch jetzt landeten sie wie Hammer auf den Schlagbolzen zweier Revolver. Tad wurde es zu viel. Ein kräftiger Stoß genügte, und der alte Mann stürzte vor Otto und den anderen Zuschauern zu Boden.
    Voller Hass auf seinen Vater kniff Otto die Augen zusammen. Verblüfft und verlegen zog sich Großvater Toby am Geländer hoch, verließ das Stadion und wurde von Otto nie wieder gesehen. Vier Jahre später rief Tads Mutter, Claire, an, um mitzuteilen, Toby sei an einem Herzanfall gestorben. Damit war Otto die Gelegenheit genommen worden, eine Verbindung zu seinem Großvater väterlicherseits aufzubauen.
    Und so kam es, dass ich die Erinnerungen eines Lebens, enthalten in der Seele des Mannes, der mich ermordet hatte, als Vehikel nutzte, mit dessen Hilfe ich langsam und gewissenhaft die Verbindungen zwischen seinem, meinem und dem Leben derjenigen Seelen aufdecken konnte, die mir in Schemaja begegnet waren – was ich laut Nana tun musste, wenn ich diesem Ort je entkommen wollte. Komischerweise brauchte ich Otto Bowles’ Erinnerungen, um mich durch das Leben nach dem Tod führen zu lassen, weil ich seit meiner Ankunft in Schemaja nicht bereit gewesen war, die Erinnerungen an meinen und Sarahs Tod zuzulassen. Und selbst wenn ich mich an alles erinnert hätte, wäre mir nie bewusst geworden, wie eng mein Leben mit dem vieler anderer Menschen verknüpft gewesen war.
    Voller Erstaunen wurde mir klar, dass es bei der ersten Verhandlung, der ich in Schemaja beigewohnt hatte, um die Seele von Toby Bowles gegangen war, den ich in meinem Leben nicht kennengelernt hatte, obwohl er, als Retter meiner Schwiegermutter in Kamenz, nicht nur für die Existenz meines Ehemannes und damit auch meiner Tochter verantwortlich war, sondern als Otto Bowles’ Großvater auch für die meines eigenen Mörders. Doch auch dies waren nur die ersten von vielen erstaunlichen Verbindungen, die ich zwischen meinem und Otto Bowles’ Leben herausfand, Verbindungen, die uns schicksalhaft im Leben und jetzt im Tod zusammengeführt hatten.
    Otto Bowles’ Eltern lernten sich in einem Nachtklub in New Jersey kennen, wo Ottos Mutter, Barbara Rabun, als immer noch attraktive achtunddreißigjährige Kellnerin arbeitete. Viele Jahre später erklärte Barbara ihrem Sohn, dass etwas in den traurigen braunen Augen und dem verlegenen Lächeln seines Vaters sie veranlasst hatte, ihn halten und beschützen zu wollen. Im Alter von sechsundzwanzig Jahren erinnerte er sie vage an ihren älteren Bruder, der in Kamenz von russischen Soldaten hingerichtet worden war. Er schien anders zu sein als die anderen jungen Männer in der Bar, die, nachdem ihnen der Alkohol schließlich eine Stimme gegeben hatte, nur »Gib mir was zu essen«, »Wo ist das Klo?« und »Schlaf mit mir« sagen konnten.
    Dennoch ließ Tad Bowles’ Anziehungskraft auf Barbara nach, als sie mit Otto schwanger wurde. Eigentlich hatte sie bis zu dem Morgen, an dem sie Otto zur Welt brachte, alle Männer einschließlich Tad nur als Jagdopfer gesehen, denen sie wie ein Wilderer nachstellte, nur um anschließend ihre dummen, verwunderten Köpfe wie Trophäen an die Wände ihrer Erinnerungen zu nageln. Nach Ottos Geburt taugten Männer und insbesondere Tad auch dafür nicht mehr. Sie hatte das bisschen geerntet, was die männliche Spezies der Welt zu bieten hatte – diesen wertvollen Dünger, den sie so unbekümmert verschleuderten. Nun wurde der kleine Otto ihre schönste Trophäe, ihr Anfang und ihr Ende. Jede Kontraktion ihrer Gebärmutter hauchte neues Leben in ihre seit langem tote Familie, deren Existenz von ihren heiligen Wehen abhing. Nicht einen Tag während Ottos Kindheit würde sie ihn vergessen lassen, dass das Überleben der Familie Rabun aus Kamenz von ihm abhing. Er war das unersetzliche Bindeglied zwischen all jenen, die vor ihm da gewesen waren und nach ihm kommen würden.
    Otto

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