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Was danach geschah

Was danach geschah

Titel: Was danach geschah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Kimmel
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Otto nach. »Er wirkt immer ziemlich still.«
    »Stille Wasser sind tief. Er hat das Geld von der …« Sam hielt plötzlich inne. »Sagen wir, er hat eine kreative Methode gefunden, um meine Arbeit zu finanzieren. Man braucht eine Menge Geld, um einen Dokumentarfilm gut hinzubekommen – Ausrüstung, Kameraleute, Reisekosten, Studiomiete. Ich bin gerade mit dem Schnitt fertig geworden. Ist echt toll geworden. Je mehr ich über deinen Hintergrund erfuhr, desto mehr dachte ich, dich könnte das Projekt interessieren. Deswegen wollte ich mich heute mit dir treffen.«
    »Kann ich ihn sehen?«, fragte Otto neugierig.
    »Klar, bald.«
    »Wo hast du gelernt, Dokumentarfilme zu drehen? Bist du Filmemacher?«
    »Nein«, antwortete Sam. »Das ist mein erster Film, aber ich lerne schnell, und ich hatte eine erfahrene Mannschaft. Das sollte meine Doktorarbeit in Geschichte am Juniata College werden – als Stipendiat des Mijares Fellowship. Aber der Leiter der Abteilung für Geschichte ist Jude. Logisch, dass er nicht glücklich über mein Thema oder meine Schlussfolgerungen war. Er gab mir die Möglichkeit, entweder ein neues Thema zu wählen oder das College ohne Abschluss zu verlassen. Ich ging. Harlan und einige andere hörten davon und finanzieren das Projekt mittlerweile einige Jahre.«
    »Wow. Bewundernswert, dass du eins der strittigsten Themen der Welt aufgegriffen hast«, lobte Otto. »Aber es wird hart sein, die Leute zu überzeugen, dass der Holocaust eine Lüge war. Versteh mich nicht falsch … nichts würde mich glücklicher machen, als herauszufinden, dass er eine Lüge war, aber ich habe die Bilder gesehen und die geschichtlichen Dokumente gelesen. Ich war auch in einigen der Lager. Meine Familie hat die Verbrennungsöfen gebaut. Es gibt viele Beweise, die widerlegt werden müssen.«
    Sam machte ein nachdenkliches Gesicht. »Aber du glaubst doch nicht wirklich, dass deine Familie oder deine Landsleute Millionen ihrer eigenen Leute kaltblütig ermorden würden, ob sie Juden sind oder nicht, oder? Das ergibt keinen Sinn. Die Deutschen waren keine Barbaren, sie waren Europäer.« Er legte eine Pause ein, in der er eine Serviette sorgfältig zu einem Dreieck faltete, anschließend in ein noch kleineres. »Ich habe Geschichte studiert, Otto«, fuhr er fort. »Dabei habe ich gelernt, dass die Menschen, die ein Zeichen auf dieser Welt hinterlassen, diejenigen sind, die Schwarz in Weiß und Weiß in Schwarz verwandeln. Genau an der Grenze zwischen den Gegensätzen finden wir die Energie, etwas zu erschaffen oder zu zerstören.« Er zerknüllte die Serviette, als wollte er seine Aussage bekräftigen. »Winzige Atome spalten sich zu weltverändernden Bomben. Tektonische Platten verschieben sich, und neue Kontinente entstehen. Politiker wandeln Frieden in Krieg und Krieg in Frieden. Religionen wandeln Sünder in Heilige und Heilige in Sünder. Daran darfst du nicht zweifeln: Ob die Taten von Menschen gut oder schlecht sind, hängt von unserer Entscheidung ab, aus welchem Blickwinkel wir die Sache betrachten wollen.«
    Jetzt schlug das Bier bei Otto zu, und langsam machte ihm die Sache Spaß. Er spürte ein warmes Kribbeln auf den Lippen und an der Stirn. Sam schien doch nicht wie befürchtet ein Extremist zu sein, sondern ein ziemlich rationaler Mann, ein Mann der Logik und Vernunft.
    Otto mochte philosophische Diskussionen und die Herausforderung, sich mit gebildeten Menschen zu unterhalten. Er glaubte, er wäre gut auf dem College gewesen, wenn er die Gelegenheit dazu bekommen hätte. Er dachte sogar darüber nach, eine Hochschule zu besuchen, vielleicht auf eine Universität in Deutschland zu gehen. Seit seinem Highschool-Abschluss vor einem Jahr hatte er nicht viel getan, außer in der Villa in Buffalo oder auf dem Trainingsgelände der Elf im Wald nahe von Huntingdon herumzuhängen. Die meisten Mitglieder der Elf waren verärgerte Männer aus der Gegend, arbeitslos oder unterbeschäftigt. Sie fuhren Pick-ups, tranken Bier, liebten Waffen und hassten Juden und Schwarze, konnten aber nicht sagen, warum. Doch sie hatten Otto in ihr Vertrauen gezogen und ihm gezeigt, wie man die komplizierten Satellitentelefone, E-Mail-Verschlüsselungen und abgelegenen Server benutzte, mit deren Hilfe sie mit anderen rechtsextremen Gruppen im ganzen Land kommunizieren konnten. Vielleicht, dachte Otto, würde er Computertechnik studieren. Ihn beeindruckten die mathematische Genauigkeit und Eindeutigkeit, und Computer als

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