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Was danach geschah

Was danach geschah

Titel: Was danach geschah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Kimmel
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rede?«
    »Die Seelen kommen genauso zum Bahnhof von Schemaja, wie du hierhergekommen bist«, sagt sie. »Jedem Antragsteller wird vor der Verhandlung ein Präsentator zugewiesen, dann warten sie am Bahnhof, bis ihr Fall aufgerufen und die Entscheidung gefällt wird. Da sie nicht an der Verhandlung teilnehmen dürfen, muss der Präsentator die Entscheidungen verstehen, die sie während …«
    »Hey, was hast du da gerade gefaselt?«, frage ich.
    »Tu, was du willst, Toby!«, schreit Claire. »Jeden Tag ist es was anderes. Ich habe eine der unsichtbaren Regeln aus deinem unsichtbaren Regelwerk gebrochen. Du fluchst am Sonntag vor den Kindern und fährst wie ein Wahnsinniger.«
    Ich fahre aus der Haut. »›Das Geld ist im Moment knapp, Marion.‹ – ›Toby kann seine Familie nicht versorgen, Marion.‹ – ›Wir kommen kaum mit dem Geld hin, das er bei der Bahn verdient, Marion.‹ Glaubst du etwa, ich habe nicht gesehen, wie du Paul Hudson angeguckt hast? Aber weißt du, warum ich mir keine Sorgen mache? Weil Paul Hudson auf keinen Fall das, was er hat, für hässliche dicke Oberschenkel wie deine aufgeben wird.«
    Claire beginnt zu weinen. »Ich hasse dich, Toby!«, schreit sie. »Ich hasse dich. Ich will, dass du verschwindest. Verschwinde, und lass uns in Ruhe.«
    »Es geht sie nichts an, ob unser Geld knapp ist oder nicht!«, schreie ich zurück. »Das geht niemanden was an. Kapiert? Niemanden! Die fahren doch nur mit ihrem fetten Caddy in den Country Club. Ich wette, das sind Rote. Überall sind Kommunisten, Claire. Sie sind hinter normalen Leuten wie mir her. Deswegen werde ich nie eine gute Stelle finden. Marion Hudson lacht uns aus, und du merkst es nicht einmal. Kapierst du das nicht? Sie weiß, dass wir nichts übrig haben. Deswegen hat sie dich gefragt – weil sie es von dir hören will. Die hat ihren Spaß daran. Wie kannst du nur so dumm sein?«
    »Mrs Hudson ist nicht so, Daddy«, meldet sich Susan vom Rücksitz. »Wenn ich bei Penny drüben bin, fragt sie immer nach dir und Mami, und sie sind wirklich nett.«
    »Ich will nicht, dass ihr noch einmal da rübergeht«, brülle ich die Kinder an. »Kapiert? Meine Güte, Claire, sie treiben ihre Spielchen sogar mit den Kindern. Ich kann mir vorstellen, was sie sagen. ›Wie geht es deinen Eltern, Susan? Oje, sind deine Schuhe alt … und dieses Kleid. Was? Sie sind nicht mit euch nach Manhattan zum Einkaufen gefahren? Wie schade.‹ Und diese Penny Hudson kommt mir auch nicht mehr ins Haus. Neue Fahrräder, neue Kleider. Sie hat immer was Neues. Sie ist eine verzogene Göre.«
    Ich habe mich nicht mehr unter Kontrolle. In mir toben Verlegenheit, Eifersucht und Hass, als gäbe es keine anderen Gefühle mehr. Ich will meinen Kindern und meiner Frau auch neue Sachen kaufen. Ich will auch in der Gemeinde respektiert werden. Ich will auch dort wohnen, wo die Hudsons wohnen, und dort essen, wo die Hudsons essen. Während ich die Greenwood Avenue entlangjage, achte ich kaum auf die Ampeln.
    Zu Hause rufe ich Bob an, um zu fragen, ob er mich früher abholen kann. Dann gehe ich hinauf und packe meine Tasche für die Woche: Arbeitslampen, Feuersignale, zwei Arbeitshosen, ein paar T-Shirts und zwei Paar Arbeitshandschuhe. Claire ist unten mit den Kindern, bereitet ihnen das Mittagessen zu und versucht, sie ruhig zu halten. Ich ziehe meine feinen Sachen aus, falte sie sorgfältig und lege sie zusammen mit einer Flasche Rasierwasser unten in meine Tasche. Sheila mag es, wenn ich schick angezogen bin und Rasierwasser aufgelegt habe. Sie hält mich für einen wichtigen Geschäftsmann. Ich bringe es nicht übers Herz, ihr die Wahrheit zu sagen. Ich kann es kaum abwarten, sie zu sehen. Sie ist die Einzige, die mich versteht. Ich ziehe den Reißverschluss der Tasche zu und stelle meine Schuhe darauf.
    »Willst du noch was essen, bevor du gehst?«, ruft Claire mit kühler, gefühlloser Stimme von unten herauf. Sie ist immer noch sauer, aber stolz, ihre Gefühle vor den Kindern nicht zu zeigen. Sie weiß verdammt genau, dass Bob auf dem Weg ist, doch sie fragt trotzdem.
    »Nein. Bob und ich werden uns unterwegs nach Princeton Junction was besorgen.«
    »Wann bist du zurück?«
    »Nicht vor Freitag.«
    Ich nehme meine Sachen mit nach unten. »Wir bringen vom Güterbahnhof aus beladene Waggons nach Scranton und leere nach Pittsburgh.«
    Katie kommt ins Wohnzimmer gewackelt, in den Händen ein Malbuch und Stifte, ihren wertvollsten Besitz. Sie ist erst achtzehn Monate alt.

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