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Was danach geschah

Was danach geschah

Titel: Was danach geschah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Kimmel
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schloss den Almanach und drückte sich aus ihrem Sessel nach oben. »Wenn du bereit bist hinzusehen, wirst du es sehen. Aber jetzt ist es Zeit, uns fertigzumachen.«
    »Wofür?«
    »Du wirst ein Abendkleid brauchen.«
    Damit hatte sie mein Interesse geweckt. »Wo soll ich denn so was in Schemaja finden?«
    Sie sah mich verschlagen an wie eine Großmutter, die ihre Enkelin mit einem angekündigten Geschenk, mit dem sie nicht rausrücken will, ungeduldig macht. »In deinem Schrank.«
    Ich ging nach oben und öffnete den Schrank im Zimmer meiner Mutter. Dort hingen fünf verschiedene Abendkleider – wunderschöne Seide, Satin und Kreppgewebe mit passenden Strümpfen und Schuhen. Ich war begeistert. Nana stand an der Tür und beobachtete mich.
    »Die sind wunderschön«, schwärmte ich und hielt sie nacheinander vor mich. »Willst du mir nicht sagen, wohin wir gehen?«
    »Das kann ich nicht. Es ist eine Überraschung.«
    Sie setzte sich aufs Bett, während ich die Kleider anprobierte und mich vor ihr drehte. Alle passten perfekt, doch am meisten gefiel uns das schwarze Seidenkleid mit Trägern und dem tief ausgeschnittenen Oberteil, bei dem meine Schultern und mein Rücken am besten zur Geltung kamen. Ich hatte tatsächlich Spaß.
    In Nanas Zimmer vollführten wir dieselbe Prozedur und wählten für sie ein bunteres Kleid mit hochgeschlossenem Halsausschnitt. Sie nahm zwei Perlenketten und zwei Paar passende Ohrringe aus einem Schmuckkästchen und reichte mir jeweils eins. Vor dem Spiegel gaben wir ein eindrucksvolles Paar ab. Keine von uns benötigte eine Haarbürste oder Schminke. Frisur und Teint sind in Schemaja immer perfekt.
    Wir verließen das Haus, als die Letzte der vier Sonnen aus den vier Jahreszeiten gerade hinter den Baumwipfeln unterging. Nana führte mich durch die Hintertür hinaus und zu Fuß durch den Wald zum Bahnhof. Beim Betreten der Vorhalle hörte ich seltsam mystische und widerhallende Geräusche wie von rauschendem Wasser oder wehendem Wind, von lachenden Delphinen und singenden Vögeln, von sprechenden Kindern und seufzenden Eltern, von allen lebenden und sterbenden Geschöpfen. Es waren die Töne eines Orchesters. Ein handgeschriebener Zettel auf der Tür kündigte an: »EMPFANG FÜR NEUE PRÄSENTATOREN«. Wir traten ein.
    Alle Antragsteller waren fort, und mit ihnen die statische Entladung ihrer Erinnerungen und die traurigen, erschreckenden, aber manchmal auch schönen Beschaffenheiten ihres Todes. Auf einer erhöhten Bühne neben der Anzeigetafel, auf der nur ankommende, aber keine abfahrenden Züge gelistet waren, schwebten vier gesichtslose Spielmänner, die aussahen wie das Wesen aus dem Gerichtssaal und mit langen grauen Soutanen bekleidet waren. Zwei spielten Instrumente, die wie Violinen aussahen, eins spielte einen Bass und das andere ein Cello, das in rosiggrünen, violetten und blauen Farbtönen vibrierte. Vor der Bühne trieben sich formell gekleidete Männer, Frauen und Kinder herum. Einige von ihnen verfolgten die Vorstellung mit Horsd’œuvres und einem Glas Champagner – oder Milch für die Kinder – in den Händen, andere standen in kleinen Gruppen beieinander und lachten und unterhielten sich.
    In den vier Ecken der Halle standen Banketttische voll mit Pasteten, Kaviar, Käse, Obst und anderen Köstlichkeiten, daneben befanden sich Theken, die mit Wein, Schnaps und anderen Erfrischungen ausgestattet waren. Eine kleine Armee gesichtsloser, graugekleideter Wesen bediente Tische und Theken und räumte die leeren Gläser und Teller der Gäste fort. Ein traumhaft schöner, riesiger und eine Reihe kleinerer Kronleuchter tauchten den Raum in ein warmes, funkelndes Licht. Ich versuchte mich zurechtzufinden, während ich mich umsah. Luas löste sich aus der Menge, hübsch gekleidet in einem einreihigen Smoking.
    »Herzlich willkommen!«, begrüßte er uns. »Wir haben auf euch gewartet!« Er umarmte uns beide, dann wandte er sich um und deutete mit seinem Arm über die Menge. »Großartig, nicht wahr?«
    »Ja«, rief ich ihm über den Lärm hinweg zu.
    »Und das alles dir zu Ehren, meine Liebe. Du hast mit Bravour bestanden und bist bereit für deinen ersten Mandanten. Ich muss sagen, wir haben eine hervorragende Gruppe neuer Präsentatoren. Zeit für ein wenig Vergnügen, bevor die Arbeit beginnt. Ihr seht beide wundervoll aus.«
    »Danke«, sagte ich. »Aber ich habe wirklich nicht das Gefühl, als wäre ich schon bereit, den Abschluss zu machen oder jemanden zu präsentieren.

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