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Was danach geschah

Was danach geschah

Titel: Was danach geschah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Kimmel
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der Ecken der Halle zu einer Steinskulptur, die mir bisher nicht aufgefallen war – eine Kugel mit völlig glatter Oberfläche, so groß wie ich und der Weltkugel sehr ähnlich. Oben auf der Kugel stand die winzige Statue einer Frau mit langem Haar und Rock, vor ihr waren drei ebenso winzige, doppelflügelige Steintüren aufgereiht.
    Als ich die Frauenstatue genauer betrachtete, ordnete sich die Skulptur irgendwie um, so dass ich die drei Doppeltüren vor mir sah, als wäre ich jetzt die Statue. Über dem ersten Durchgang befand sich ein Schild mit der Aufschrift »SELBST«, auf einem anderen stand »ANDERE« und auf dem dritten »GEIST«. Alle drei Doppelflügeltüren waren verspiegelt, so dass ich mich in jeder Tür sehen konnte, wobei die linken und rechten Türflügel jeweils ein anderes Bild wiedergaben.
    Die linken Türflügel zeigten das Bild von mir, wie ich mich immer hatte sehen wollen: größer, markantere Wangenknochen, vollere Brüste und zwei vollständige Arme. Diese Brek Cuttler war witzig und klug, eine liebende Mutter, hervorragende Anwältin, ergebene Tochter, perfekte Liebhaberin, herausfordernde Gegnerin im Tennis, vollendete Geigenspielerin und wunderbare Köchin. Sie war das perfekte Exemplar einer Frau, beneidet um ihre perfekte Karriere, ihren perfekten Körper, ihren perfekten Verstand, ihren perfekten Mann, ihre perfekten Kinder und ihr perfektes Haus.
    Der rechte Flügel jeder Doppelflügeltür zeigte ein weit weniger bezauberndes Bild von mir. Diese Brek Cuttler war runder und einfacher, hatte unreine Haut, dünne Lippen, kleine Brüste und dünnes Haar, und ihr fehlte der rechte Arm. Dennoch wirkte sie edler und weniger verzweifelt als die Frau auf den Spiegelbildern der Türflügel daneben. Diese Brek Cuttler definierte sich durch alles, was die andere Brek Cuttler nicht war: unterstützend statt wetteifernd, spirituell statt intellektuell, vergebend statt herablassend, schmeichelhaft statt Schmeicheleien einfordernd, vertrauenswürdig statt gefürchtet. Sie war völlig wehrlos und damit völlig unzerstörbar, abhängig von allem und daher völlig unabhängig.
    »Liebe mich«, flehte die perfekte Brek Cuttler in allen drei Flügeln links. Hinter ihr im Spiegel waren die Insignien ihres Erfolgs zu sehen – die ehrfürchtigen Blicke von Männern und Frauen, die schönen Kleider, das schöne Haus, die mächtigen Freunde und Titelträger, die Luxusurlaube, die begehrten Einladungen, die rücksichtslosen Siege. Ihr eigentümlich kleiner Zwilling im Türflügel rechts sagte nur: »Ich bin.« Hinter ihr wurden die Insignien ihrer Freiheit gezeigt – dargestellt durch das Universum von der kleinsten Mücke bis zum am hellsten leuchtenden Stern, jedes Ding auf seine eigene Weise und in seiner eigenen Zeit perfekt.
    Die magische Skulptur teilte meine Miniaturoffenbarung in drei Teile, und jede Einzelne von uns trat vor, um unsere Entscheidung zwischen den drei Türen zu treffen. An den Türen wurden wir von Eltern, Lehrern und Freunden begrüßt. Alle deuteten nach links, woraufhin wir durch den jeweils linken Flügel traten, hinter denen wir weitere drei Doppelflügeltüren vorfanden, für die dieselben Entscheidungen notwendig waren. Unter derselben Führung gingen wir nach links, und wieder nach links, und wieder und wieder und wieder, wie es uns beigebracht worden war, bis wir uns schließlich aus uns selbst heraus dafür entschieden. Die Skulptur drehte sich langsam wie ein Felsen, der einen Hügel hinaufgeschoben wurde, während sich die Türen öffneten und schlossen.
    Plötzlich verwandelte sich die Skulptur zurück in die große Kugel, von der ich kein Teil mehr war. Ich stand daneben, blickte auf die Oberfläche wie auf die Erde aus großer Höhe, sah ein Labyrinth aus Türen, Pfaden und Entscheidungen, die die Oberfläche durchkreuzten wie unzählige Flüsse und Straßen.
    Die tiefe, aber sanfte Stimme eines Mannes ertönte rechts hinter mir und erschreckte mich. »Eine Reisende, die in eine Richtung aufbricht, kehrt schließlich an den Ausgangspunkt zurück und sieht ihn erneut zum ersten Mal.«
    Ich drehte mich um. Vor mir stand ein eindrucksvoll exotischer Mann mittlerer Statur und mittleren Alters. Er war dünn, hatte glatte, dunkle Haut und schwarze Augen und trug weder Hemd noch Schuhe. Stattdessen hatte er einen regenbogenfarbenen Dhoti im Stil der hinduistischen Asketen um seine Hüfte und Beine gewickelt, und sein Kopf war mit einer Kappe aus kleinen goldenen Perlen

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