Was danach geschah
bedeckt. Sein unergründliches Gesicht strahlte Frieden aus wie das eines buddhistischen Mönchs während seiner Meditation. Er war wunderschön.
»Oh, hallo«, grüßte ich ihn. »Ich habe dich gar nicht bemerkt.«
»Gefällt sie dir?«, fragte er.
»Ja, sehr interessant, aber auch ein bisschen beunruhigend.«
Die Kugel drehte sich, so dass meine drei virtuellen Vertreterinnen am anderen Ende verschwanden.
»Die Zeit führt nur in eine Richtung, von der man nicht abweichen kann«, erklärte der Mann. »Aber es kann, je nachdem, wie man sich entscheidet, viele mögliche gegenwärtige Momente geben.«
»Wie kann es viele gegenwärtige Momente geben?«, zweifelte ich. »Gibt es nicht nur eine Gegenwart?«
»Ja«, antwortete der Mann, »aber sie enthält alles, was möglich ist. Wenn ein beliebiger Punkt auf der Oberfläche, auf dem die Figur gerade steht, den gegenwärtigen Moment darstellt, ist der von ihrem Standpunkt aus hinter ihr liegende Teil die Vergangenheit, und was vor ihr liegt, die Zukunft. Also, angenommen, du würdest von ihrem momentanen Standpunkt aus eine längs verlaufende Linie um die Kugel ziehen – wie den Äquator auf einem Globus –, dann würde diese Linie alle möglichen Orte auf der Oberfläche der Kugel darstellen, wo die Reisende stehen kann und sich immer noch innerhalb des gegenwärtigen Moments befindet. Die Türen stellen die Entscheidungen dar, die sie dahingehend treffen muss, wo entlang der Linie sie stehen will.«
Ich war verwirrt. »Wenn das der Bildhauer sagen will, ist mir das entgangen.«
»Ich glaube nicht, dass das alles ist, was er sagen wollte«, erwiderte der Mann. »Wir haben bisher nur zwei Dimensionen der Kugel angesprochen – Zeit, dargestellt durch die Drehung der Kugel, und Raum, dargestellt durch die Oberfläche. Wir haben nur eine flache Scheibe beschrieben, fürchte ich – die eine Hälfte eines Pfannkuchens.«
»In Geometrie bin ich noch nie gut gewesen.«
Der Mann lächelte. »Es muss eine dritte Dimension geben, die der Kugel Volumen und den Dimensionen Zeit und Raum eine Bedeutung verleiht. Der Nullmeridian, von dem ich sprach und der den gegenwärtigen Moment darstellt, verläuft nicht nur über der Oberfläche. Er verläuft auch unter der Oberfläche, durch den Kern der Kugel, und verleiht ihr Tiefe und Form. Diese Tiefendimension repräsentiert die möglichen Erkenntnisebenen der Reisenden zu einem gegebenen Zeitpunkt – die Bedeutungsebenen von Raum und Zeit. Ihre Wahrnehmung mag sehr einfach und rudimentär sein. In diesem Fall liegt ihre Erkenntnis der eigenen Zeit und des eigenen Raums nah an der Oberfläche. Oder sie besitzt eine umfassendere Erkenntnis ihrer Zeit und ihres Raums und all deren Nuancen. In diesem Fall besitzt sie eine tiefer liegende Erkenntnis, die sich nahe des Kerns befindet.
Bedeutung ist auch eine Frage der Entscheidung. Wir können dieselbe aktuelle Realität auf viele verschiedene Arten wahrnehmen. Daher kann sich unsere Reisende zwar nicht für eine bestimmte Zeit entscheiden, weil diese Entscheidung von der Rotation der Kugel festgelegt wird, aber sie kann ihren Raum im gegenwärtigen Moment und die Ebene ihrer Wahrnehmung wählen. Auf diese Weise erfährt sie aus einer potentiell unendlichen Anzahl an Orten entlang der Linie des gegenwärtigen Moments die Realität in drei Dimensionen, was ihrer Realität, entsprechend der Tiefe ihrer Wahrnehmung, eine potentiell unendliche Anzahl von Bedeutungen verleiht.«
Das war mir alles zu hoch. Ich war hier, um meine Aufnahme als Präsentatorin zu feiern, nicht, um mich in einer philosophischen Exegese von Zeit, Raum und Wahrnehmung zu ergehen. Ich ließ meinen Blick über die Menge gleiten, suchte nach Luas und Nana und nach einem höflichen Ausweg aus dem Gespräch.
»Ich heiße Gautama«, stellte sich der Mann vor, der scharfsichtig seine linke Hand ausstreckte.
»Brek Cuttler.« Ich war verlegen, weil er mich bei meinem Versuch ertappt hatte, ihm zu entkommen.
Einer der gesichtslosen Diener kam, um mir meinen leeren Teller abzunehmen.
»Ja, ich weiß, wer du bist«, erwiderte Gautama. »Ich hoffe, ich habe dich nicht gelangweilt. Ich persönlich bin während einer Reise mehr an den kleineren Schritten interessiert, doch hin und wieder Abstand zu nehmen, um das Ganze zu betrachten, kann sehr nützlich sein. Zum Beispiel erklärt es die Gegenwart der Antragsteller, die sich im Moment hier zwischen uns befinden, und unsere Unfähigkeit, uns wegen unserer gewählten
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