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Was danach geschah

Was danach geschah

Titel: Was danach geschah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Kimmel
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Ich verstehe ja kaum den Prozess … und ich glaube nicht, dass ich den Ergebnissen zustimmen kann.«
    »Keine Sorge, Brek«, versicherte mir Luas. »Jeder ist beim ersten Mal nervös. Du wirst das hervorragend meistern.«
    Nana zwinkerte Luas zu. »Brek war sehr misstrauisch wegen heute Abend«, sagte sie. »Sie hat mich so bedrängt, dass ich beinahe die Überraschung ausgeplaudert hätte.«
    »Hat sie das?«, wollte Luas wissen. »Ich weiß, sie kann ganz schön neugierig sein. Genau das gefällt uns an ihr.«
    »Ich habe da noch eine Frage«, sagte ich. »Was habt ihr mit all den Antragstellern getan? Vor ein paar Tagen war die Halle voll von ihnen.«
    »Und auch das ist wie üblich eine scharfsichtige Frage. Habe ich es dir nicht gesagt, Sophia?« Luas wandte sich wieder an mich. »Sie sind immer noch hier. Komm, ich zeige sie dir.«
    Wir verließen die Bahnhofshalle durch den Hinterausgang und schlossen die Türen. »Gut, jetzt öffne sie wieder«, wies er mich an.
    Plötzlich war die Musik fort, ebenso die Musiker, das Essen, die Tische, die Kronleuchter und die wunderschönen Gäste. Stattdessen schwebten die Antragsteller – Tausende greller Kugeln voller Erinnerungen – durch das düstere schwefelgelbe Licht der Bahnhofshalle.
    »Wie funktioniert das?«, fragte ich Luas.
    »Schöpfung ist eine Frage der Sichtweise und der Entscheidung«, erklärte er. »Was jemand sehen will, wird zu dem, was jemand zu sehen in der Lage ist. Du hast noch nie gesehen, wie die subatomaren Teilchen in den Möbeln deines Wohnzimmers pulsieren, ebenso wenig, wie der winzige Partikel deines Wohnzimmers in den sich wie Windräder drehenden Galaxien des Universums verschwindet, doch das bedeutet nicht, dass subatomare Partikel und Galaxien nicht existieren. Deine Macht als Präsentatorin wächst, Brek, du wirst immer mehr von dem sehen, was es zu sehen gibt, als würdest du durch ein Mikroskop und ein Teleskop blicken.«
    Während wir zwischen den Kugeln hindurchgingen, sah ich einen in Lumpen gekleideten Mann mit hervortretenden Augen und rasiertem Schädel. Er sah mich an und gleich wieder zur Seite. Ihm folgte ein junges Mädchen, ebenfalls in Lumpen gekleidet. Ihr Blick war gequält und herausfordernd, und ihr rechter Arm fehlte. Sie erinnerte mich an mich als kleines Mädchen.
    »Sind das Präsentatoren?«, fragte ich Luas. »Sie scheinen nicht für die Feier angezogen zu sein.«
    »Nein, sie sind Seelen wie all die anderen, doch bis jetzt kannst du nur einen kleinen Teil ihrer Erinnerungen sehen.«
    »Vielleicht könnte ich dieses kleine Mädchen präsentieren«, überlegte ich. »Wir beide scheinen etwas gemeinsam zu haben.«
    »Das ist nicht möglich«, erwiderte Luas. »Das Mädchen hat bereits einen Anwalt, und auch dein erster Mandant wurde schon ausgewählt.«

26
    Meine neuen Kollegen – die vielen ehrenwerten und alteingesessenen Mitglieder des Hohen Gerichts von Schemaja – waren erpicht darauf, mich auf meiner Abschlussfeier kennenzulernen und mir Geschichten ihrer ersten Präsentation zu erzählen. Beunruhigenderweise berichteten alle von Fällen, in denen die Verhandlung beendet wurde, bevor sie mit der Verteidigung beginnen konnten, auch wenn sie es über scheinbar ewige Zeiten hinweg immer wieder versucht hatten.
    Constantin zum Beispiel, ein älterer Mann mit schwarzen Zähnen und Narben im Gesicht, erzählte, er habe die Seele eines Polizisten präsentiert, dessen Pflicht und Freude es gewesen war, Gefangene durch Folter zu einem Geständnis zu zwingen. »Er war ein außergewöhnlich grausamer Mensch«, erklärte Constantin. »Trotzdem hält es der Richter für angebracht, die Präsentation immer zu beenden, bevor ich das Gericht informieren kann, dass er ausgesetzte Tiere in seiner Wohnung versorgte.«
    Eine andere Präsentatorin, Allee, eine schwangere Jugendliche mit geschwollenen Wangen und Händen, präsentierte die Seele eines jungen Mannes, der seine Freundin verlassen hatte, nachdem sie von ihm schwanger geworden war. »Er riskierte sein Leben, um ein Kind aus einem brennenden Nachbarhaus zu retten«, berichtete sie. »Ständig versuche ich, diesen Vorfall im Gerichtssaal vorzubringen, doch so weit kommt es nie. Wahrscheinlich glaubt Gott, das zählt nicht.«
    Ich verlor Luas und Nana in der Menge aus den Augen und ging allein zum Büfett. Mit den anderen Präsentatoren zu sprechen machte mich unsicher und nervös, so dass ich lieber alleine war. Nachdem ich mich bedient hatte, ging ich in eine

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