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Was deine Augen sagen: Roman (German Edition)

Was deine Augen sagen: Roman (German Edition)

Titel: Was deine Augen sagen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florencia Bonelli
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spüren, wie sich ihre Hufe tief in den Sand graben, ich wollte sie reiten bis zur völligen Erschöpfung. Ich vermisste mein Zuhause, meine Mutter, meinen Vater. Was ich hier zurückgelassen hatte, war das Wertvollste, was ich besaß, und ich wünschte nichts sehnlicher, als zurückzukehren.«
    Francesca nahm sich vor, diesen Augenblick als eine ihrer kostbarsten Erinnerungen in ihrem Herzen zu bewahren. Zum ersten Mal hatte sie das Gefühl, dass Kamal ihr sein Herz öffnete und sie in sein Innerstes blicken ließ.
    »Als ich an der Sorbonne anfing«, erzählte er weiter, »war ich wie geblendet. Das altehrwürdige Gebäude, die Gelehrtheit der Professoren, die eindrucksvolle Bibliothek, Leute aus aller Herren Länder … Kurzum, ich dachte darüber nach, nicht nach Arabien zurückzugehen.« Er lächelte traurig und setzte hinzu: »Mauricio und Jacques glaubten mir nicht, aber es dauerte tatsächlich fünf Jahre, bis ich zurückkehrte. Anlass war das Attentat auf meinen Vater. Mein Bruder Saud hatte sich schützend vor ihn geworfen und war selbst verletzt worden.«
    Nach dieser Bemerkung verstummte Kamal und blickte wieder zum Horizont. Erst als Francesca seinen Unterarm drückte, drehte er sich um und sah sie an.
    »Wie schön du bist!«, sagte er und küsste sie auf die Lippen, den Hals, das Dekolleté.
    Sie sanken in den warmen Sand, und der freie Himmel, die Sterne und der Vollmond waren die einzigen Zeugen ihrer Liebe.
    »Ich habe so etwas noch nie empfunden«, gestand Kamal und lehnte seinen Kopf an ihre Brust.
    Es war kühl geworden, und Francesca fror. Kamal hüllte sie in seinen Mantel und drückte sie an sich. Sie betrachteten den mit Sternen übersäten Himmel. Francesca konnte sich nicht erinnern, jemals so viele Sterne gesehen zu haben, nicht einmal in Arroyo Seco. Sie fühlte sich lebendig wie nie, voller Frieden, und sagte sich, dass Glück genau das bedeutete.
    »Francesca …«, flüsterte Kamal. »Du hast einen wunderschönen Namen.« Er dachte daran, wie dieser Name auf ihn gewirkt hatte, als der Privatdetektiv, den er in Genf engagiert hatte, ihn zum ersten Mal aussprach.
    »Mein Vater hieß Vincenzo Francesco. Ich bin nach ihm benannt worden.«
    »Erzähl mir von ihm.«
    Francesca fühlte sich unwohl. Sie sprach nicht oft über Vincenzo. Mit ihrer Mutter hatte sie einen stillschweigenden Pakt geschlossen, das Thema nicht zu berühren. Antonina schossen schon die Tränen in die Augen, wenn man ihren Mann nur erwähnte, und Francesca ertrug es nicht, sie leiden zu sehen.
    »Er starb, als ich sechs Jahre alt war«, sagte sie nach einer Weile. »Aber das weißt du ja schon. Ich habe nur wenige Erinnerungen an ihn: die Totenwache und später die Beerdigung. Meine Mutter hat so viel geweint. Ich habe mir die Augen zugehalten und gebetet, dass die Tränen aufhören würden, aber sie hörten nie auf. Es gab Momente, in denen ich meinen Vater gehasst habe, weil sie so viel wegen ihm weinte. Und ich habe ihn gehasst, weil er uns allein gelassen hat.« Sie hatte einen schmerzhaften Kloß im Hals, während sie versuchte, die Tränen zu unterdrücken. Sie schluckte und sprach dann weiter. »Meine Mutter spricht nur selten von ihm. Eine Erinnerung habe ich an meinen Vater, so verschwommen, dass sie fast ein Traum zu sein scheint. Ich lag schlafend in meinem Bett, und als ich die Augen aufmachte, sah ich sein Gesicht hinter den Gitterstäben. Er sah mich liebevoll an, und als er merkte, dass ich wach war, lächelte er und strich mir über den Kopf. Ich frage mich, wie lange er schon dort gestanden und mich betrachtet hatte. Vielleicht war es wirklich nur ein Traum, und er hat mich nie durch die Gitterstäbe des Bettes angesehen. Ich werde es nie erfahren. Er hat mich sehr geliebt, das weiß ich, das spüre ich. Ich erinnere mich noch an das Rasseln seiner Schlüssel, wenn er nach Hause kam. Er fragte dann immer: › Dov’è la mia principessa – wo ist denn meine kleine Prinzessin?‹, und ich rannte zu ihm. Dann hob er mich hoch, warf mich in die Luft und ging mit mir in die Küche, um meine Mutter zu begrüßen. Oh, Kamal, ich wäre so froh, wenn er noch lebte und dich kennenlernen könnte!«
    Ihre Tränen tropften auf den nackten Arm des Prinzen, der sie ganz festhielt und versuchte, sie zu trösten.
    »Weine nicht, Kleines, bitte! Ich kann alles ertragen, außer wenn du weinst. Entschuldige, ich wusste nicht, dass die Erinnerung an deinen Vater dich so traurig machen würde. Nichts soll dich

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