Was deine Augen sagen: Roman (German Edition)
Kisten abgegeben und sind mit leeren Händen wieder rausgekommen. Auch die Frauen haben den Palast eine Stunde später wieder verlassen.«
Abu Bakr schickte seinen Untergebenen weg und lehnte sich wieder in die Kissen. Er schloss die Augen und dachte nach. Im Laufe seines Lebens hatte er viele Lektionen gelernt, aber zwei davon hatten sich als besonders nützlich erwiesen: Erstens, es gab keine Zufälle, und zweitens, vertraue stets deinem Instinkt. Diese Begegnung zwischen dem Prinzen al-Saud und einem Mann, der sein Gesicht nicht zeigen wollte, gefiel ihm ganz und gar nicht. Er stand auf und rief über Funk seinen Stellvertreter Kalim Melim Vandor. Kalim war Palästinenser und hasste die Juden noch mehr als Abu Bakr selbst. Er war groß und massig, und die Augenklappe vor dem linken Auge, das er vor langer Zeit durch einen Granatsplitter im Gazastreifen verloren hatte, verlieh ihm etwas Boshaftes.
»Kalim«, sagte Abu Bakr bestimmt, »wir müssen Petra in den nächsten Stunden verlassen.« Als der Terrorist ihn verwirrt ansah, wurde Abu Bakr ungeduldig. »Es besteht die Möglichkeit, dass Prinz al-Saud unseren Aufenthaltsort kennt.«
»Und was machen wir mit der Argentinierin? Nehmen wir sie mit?«
»Die beseitigen wir«, entschied Abu Bakr. »Wir brauchen sie nicht mehr. Ruf zuerst die Männer zusammen. Danach kümmern wir uns um sie.«
***
Kamal und Méchin legten die Gewänder von Fatima und Zora ab und nahmen in den Sitzen des Privatjets Platz. Minuten später hob das Flugzeug ab. Mit ihnen flogen die besten Agenten des Geheimdienstes. Méchin sah zu Kamal und dachte, dass ihn nur das Adrenalin auf den Beinen hielt. Er wusste nicht, wie er das aushielt, nachdem er so lange nichts gegessen und getrunken und nicht geschlafen hatte. Aber Kamal wirkte hellwach und voller Energie.
Bevor Kamal, Méchin und seine Männer Riad verlassen hatten, hatte Abdullah mit seinem Amtskollegen in Jordanien telefoniert, einem Schwager des Haschemitenkönigs Hussein II., mit dem ihn ein beinahe freundschaftliches Verhältnis verband. Als König Hussein erfuhr, dass möglicherweise eine antijüdische Terrorgruppe von seinem Boden aus agierte, gab er Anweisung, mit den Saudis zusammenzuarbeiten, um die Terroristen auszuschalten. Er war kein Freund der Juden, aber es würde das ohnehin schwierige Verhältnis zu Israel unnötig belasten, wenn ans Licht kam, dass sich der berüchtigte Abu Bakr in seinem Land versteckte.
Der Jet landete auf einer privaten Piste im Süden Jordaniens. Kamal und seine Gruppe wurden von einem zehnköpfigen Kommando der Armee König Husseins erwartet. Während man sich einander vorstellte, luden die saudischen Agenten die Waffen aus dem Laderaum des Jets: Mausergewehre, britische Sterling-Maschinengewehre und FAL-Sturmgewehre. Der jordanische Kommandant bat den für die Mission verantwortlichen saudischen Agenten und Prinz al-Saud in ein Feldzelt, wo er ohne lange Umschweife zur Sache kam.
»Wie wahrscheinlich ist es, dass sich Abu Bakr tatsächlich in Petra aufhält? Soll heißen, wie vertrauenswürdig ist die Quelle, von der diese Information stammt?«
»Das wissen wir nicht«, gab Kamal zu, ohne sich von der forschen Art des Militärs aus der Ruhe bringen zu lassen. »Aber es gibt weitere Hinweise, die uns vermuten lassen, dass die Informationen über Petra stimmen. Das ist alles, was wir haben. Wir müssen das Risiko eingehen.«
»Das Versteck im Melazia-Viertel in Aqaba war verlassen, obwohl mir versichert wurde, dass sich vor einigen Tagen noch an die zwanzig Personen dort aufgehalten haben. Wir haben Essensreste gefunden, Matratzen, Kleidung, Zeitungen jüngeren Datums. Nichts, was uns weiterhelfen würde.«
»Das lässt darauf schließen«, sagte der saudische Agent, »dass wir es in Petra mit etwa zwanzig Männern zu tun haben werden.«
»Eine sehr gewagte Annahme«, stellte der Jordanier fest. »Letztlich können wir nicht sagen, mit wie vielen Männern wir wirklich rechnen müssen.«
»Oder ob wir gar niemanden antreffen werden«, setzte Méchin hinzu, der von Anfang an skeptisch gewesen war und nicht viel Vertrauen in Abdels plötzliches Geständnis setzte.
»Wenn ich richtig informiert bin, handelt es sich um eine Befreiungsaktion«, bemerkte der Jordanier. Kamal nickte.
»Es geht um eine Mitarbeiterin der argentinischen Botschaft«, erläuterte der saudische Agent und reichte ihm einige Fotos von Francesca. »Die Frau wurde vor zwei Tagen von Abu Bakrs Leuten entführt. Uns
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