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Was deine Augen sagen: Roman (German Edition)

Was deine Augen sagen: Roman (German Edition)

Titel: Was deine Augen sagen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florencia Bonelli
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anfänglich ohne größere Mühe, da der Stein zunächst nur sanft anstieg und eine Art natürliche Treppe bildete. Doch je höher sie kamen, desto steiler und gefährlicher wurde die Wand. An einer Stelle knapp unterhalb des Gipfels, die der Beduine »das Löwengrab« nannte, markierte eine tief in den Fels gehauene Nische, aus der Eidechsen in unterschiedlichen Größen und Farben huschten, den Punkt, nach dem der Führer gesucht hatte: Sie befanden sich nun ganz nah beim Ed-Deir . Ab hier führte der Weg nahezu senkrecht nach oben.
    Sie erreichten eine Spalte im Fels, die aussah wie eine klaffende Wunde, und schlüpften auf ein Zeichen des Beduinen hinein. Es war ein Tunnel, nicht sonderlich lang, an dessen Ende sie die kolossale, beinahe unwirkliche Fassade des Ed-Deir entdeckten. Bevor sie sich an den Abstieg machten und das offene Gelände vor dem Tempel überquerten, schickte der jordanische Oberst zwei seiner Männer auf einen Erkundungsgang, während sie am Ausgang des Tunnels warteten. Als die Soldaten Entwarnung gaben, verließ auch die übrige Gruppe das Versteck und lief zum Ed-Deir . Kamal schätzte, dass die Fassade an die fünfzig Meter hoch sein musste; er war überwältigt von den wuchtigen Säulen und der Schönheit der Giebelfelder im griechischen Stil.
    »Ich bleibe hier zurück«, teilte der Beduine dem jordanischen Oberst mit. »Ihr müsst durch diese Öffnung«, sagte er und deutete auf einen Spalt zur Rechten der Tempelfassade. »Sie führt genau ins Zentrum von Petra.«
    Hinter der Öffnung befand sich eine in den Fels gehauene Treppe, die sie erneut nach oben führte, von wo sie nun das Zentrum der Stadt überblicken konnten. Kamals Herz pochte heftig, war er doch sicher, dass sich Francesca irgendwo in dieser Geisterstadt befand.
    Sie verfuhren genauso wie zuvor: Der jordanische Oberst schickte erneut dieselben Männer los, um die Gegend zu erkunden. Wenn sie nicht schon beim Ed-Deir -Tempel auf die Terroristen gestoßen waren, war anzunehmen, dass es hier geschehen würde. Falls die Terroristen überhaupt hier waren, dachte Méchin mutlos, der nur den Wind hörte und die Eidechsen beobachtete. Wenig später kehrten die jordanischen Kundschafter zurück.
    »Auf einem Felsen etwa fünfhundert Meter östlich von hier haben wir einen Mann gesehen. Er hatte ein Maschinengewehr dabei und ein Bowie-Messer am Gürtel.«
    Sie rückten in vier Gruppen vor, um den Terroristen zu überwältigen, der erst reagierte, als es schon zu spät war.
    »Wo sind die übrigen Wachposten?«, wollte der jordanische Oberst wissen, während ein anderer dem Mann den Arm auf den Rücken drehte.
    »Ich bin allein«, beteuerte er wimmernd.
    »Du lügst«, sagte der Oberst und nahm ihm das Messer ab. »Ich ramme dir dein eigenes Messer in die Eingeweide, wenn du mir nicht sagst, wo deine Kumpane sind.« Als der Mann hartnäckig schwieg, ritzte ihm der Jordanier die Wange auf. »Soll ich weitermachen oder sagst du mir lieber, wo sie sind?«
    Der Mann gab nach. Kurz darauf rief er von einem Felsvorsprung nach seinem Kollegen. Der verließ seinen Posten, eine Felshöhle am anderen Ufer des wadi , und erschrak, als er die blutende Wunde an der Wange des anderen entdeckte. Er fragte ihn durch Gesten, was passiert sei, und bedeutete ihm durch Handzeichen, dass er nach drüben kommen würde, um ihm zu helfen. Aber er kam nie an: Einige Meter vorher fiel ihn ein saudischer Agent von hinten an und schnitt ihm die Kehle durch.
    »Wo sind die übrigen Wachen?«, fragte der Oberst noch einmal.
    »Es gibt keine weiteren mehr«, antwortete der Mann mit einem nervösen Blick zu dem leblosen Körper seines Kameraden. »Es gibt keine anderen, ich schwöre.«
    »Führ uns zu deinem Boss. Und komm bloß nicht auf die Idee, die anderen zu warnen: Bevor jemand reagieren kann, schlitze ich dir die Kehle auf.« Und er setzte ihm die Messerspitze an den Hals.
    ***
    Als Francesca den sandigen Boden an ihrer Wange spürte, wusste sie, dass sie nicht tot war. Der muffig-feuchte Geruch der Zelle war stärker geworden und mit ihm auch die Übelkeit. Sie legte die Hand auf ihren Bauch, der steinhart war. Krampfartige Schmerzen ergriffen Besitz von ihr, die ihr endlos vorkamen und sie zwangen, sich wimmernd am Boden zu winden. Sie begann zu weinen, denn ihr war klar, dass etwas mit dem Baby nicht stimmte. Die Schläge dieses unheimlichen Mannes fielen ihr wieder ein, das, was er gesagt hatte, das Telefonat mit Kamal, seine verzweifelte Stimme. Jetzt,

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