Was deine Augen sagen: Roman (German Edition)
schien. »Wenn du das Lösegeld überbringst, legen sie dich um. Ich werde nicht zulassen, dass du es übergibst.«
»Du scheinst nicht zu verstehen, Onkel«, sagte Kamal mit Nachdruck. »Ich habe nicht vor, abzuwarten, bis sie sich wieder melden, und ich werde auch kein Lösegeld übergeben. Mein Entschluss steht fest: Ich fliege jetzt gleich nach Jordanien. Wir nehmen meinen Jet. Und ich brauche ein paar von deinen Männern.«
»Du machst was ?«, fragte Jacques ungläubig, und Abdullah sah ihn nur aus großen Augen an. »Du weißt ja nicht, was du da sagst«, fuhr Méchin fort. »Du hast keinen Plan, sondern handelst im Affekt, und das wird dich teuer zu stehen kommen. Wir wissen nicht mal, ob diese Informationen stimmen. Und was ist, wenn die Entführer sich wieder melden und du bist nicht da? Das könnte schlimme Folgen für Francesca haben.«
»Ich habe vor, bei Francesca zu sein, bevor Abu Bakr erneut Kontakt mit mir aufnimmt.«
»Nichts dergleichen wirst du tun.« Abdullah ließ nicht mit sich reden. »Ich lasse nicht zu, dass der nächste König von Saudi-Arabien sein Leben aufs Spiel setzt.«
»Du wirst mich nicht umstimmen, ganz gleich, was du sagst.«
Méchin versuchte erst gar nicht, ihm zu widersprechen; er wusste, wie stur Kamal sein konnte. Abdullah hingegen ließ nicht locker.
»Ich lasse das nicht zu!«
»Ich wüsste nicht, wie du mich davon abhalten solltest«, machte Kamal deutlich. Abdullah wollte etwas erwidern, doch auf ein Zeichen von Méchin hin schwieg er.
»Warum überlässt du es nicht den Männern deines Onkels, Francesca da rauszuholen? Sie sind Profis und bestens ausgebildet.«
»Das bin ich auch«, erwiderte Kamal. »Oder hast du vergessen, dass ich nach meiner Rückkehr nach Saudi-Arabien fünf Jahre an der Militärakademie in Riad war?«
Nichts würde ihn überzeugen können. Abdullah und Méchin sahen ein, dass es sinnlos war, mit ihm zu diskutieren.
»Ich möchte mit Abdel sprechen«, sagte der Leiter des Geheimdienstes schließlich. »Wo ist er?«
»Ich habe ihn vorsichtshalber einsperren lassen, mehr zu seinem eigenen Schutz als aus Angst, dass er fliehen könnte. Nachdem er einen Terroristen wie Abu Bakr verraten hat, ist sein Leben keinen Cent mehr wert.«
»Also gut«, sagte Abdullah. »Ich werde ihn herbringen lassen, und auf der Grundlage der Informationen, die er uns gibt, machen wir einen Plan.«
Abdel blickte nicht ein einziges Mal auf, als man ihn verhörte. Am Ende nahm er all seinen Mut zusammen und wandte sich an Kamal.
»Sie sollten sich nicht in der Öffentlichkeit zeigen, Hoheit. Abu Bakrs Männer folgen Ihnen auf Schritt und Tritt. Vielleicht haben sie gesehen, wie wir uns vor Ihrem Haus unterhalten haben.«
Kamal schwieg und sah nachdenklich vor sich hin. Schließlich sagte er: »Jacques, ruf meine Schwägerin Zora und meine Schwester Fatima an. Sag ihnen, sie sollen die Schuhe mit den höchsten Absätzen anziehen, die sie haben, und in den alten Palast kommen. Und sie sollen zwei zusätzliche abayas mitbringen.«
***
Abu Bakr war in seinem Raum und überlegte, ob es sinnvoll war, sich noch heute bei Prinz Kamal zu melden. Einer seiner Männer fragte gerade telefonisch den Kontostand in Zürich ab, während ein anderer ebenfalls per Telefon ein Treffen mit einem bekannten belgischen Waffenhändler vereinbarte. Abu Bakr zuckte zusammen, als Bandar ohne anzuklopfen hereinkam; er wirkte besorgt.
»Was ist los?«, fragte er und nahm unwillig die Brille ab.
»Katem hat sich gerade gemeldet. Vor ein paar Stunden wurde Prinz Kamal vor seinem Haus von einem Mann angesprochen.«
Abu Bakr stand auf und sah seinen Untergebenen an. Die Sache konnte völlig bedeutungslos sein oder höchst alarmierend. Verräter gab es immer, wenn so viel Geld im Spiel war.
»Ließ sich herausfinden, wer es war?«
»Er hatte sein Gesicht verhüllt«, erklärte Bandar.
»Was weißt du noch darüber?«
»Sie gingen ins Haus und unterhielten sich eine Weile. Dann kamen sie wieder raus, stiegen ins Auto von Prinz Kamal und fuhren zum alten Palast von König Abdul Aziz. Bis jetzt sind sie nicht wieder rausgekommen.«
»Vielleicht haben sie den Hinterausgang genommen«, mutmaßte Abu Bakr.
»Alle Eingänge werden überwacht, aber es gab nicht viel Bewegung. Zwei Frauen, bei denen es sich, wie sich herausstellte, um die Schwägerin und die Schwester des Prinzen handelte, und ein paar Paketboten, die Kisten von einer Buchhandlung brachten. Sonst keiner. Die Boten haben die
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