Was deine Augen sagen: Roman (German Edition)
bleibt nicht viel Zeit, bis die Behörden ihres Landes davon erfahren und es einen Skandal gibt. Die Aktion darf nicht schiefgehen, wir müssen sie lebend da rausholen.«
Der Jordanier stellte keine weiteren Fragen, trotz der Zweifel, die die Mission in ihm aufkommen ließ. Vor allem beunruhigte ihn, dass sich ein Mitglied des saudischen Königshauses persönlich um die Sache kümmerte. Weshalb so viel Aufwand wegen einer Argentinierin? Aber er sagte nichts. Er war es gewohnt zu gehorchen, und der Befehl seines Vorgesetzten lautete, Abu Bakr und seine Leute auszuschalten. Dass eine Frau dabei war, änderte nichts an dem Auftrag. Er trat an einen Tisch und breitete einen Plan von Petra aus.
»Petra ist eine archäologische Ausgrabungsstätte, die größtenteils noch unerforscht ist. Es handelt sich um eine befestigte Stadt, umgeben von Bergen und unmittelbar in den Fels gehauen. Wie Sie sehen, liegt sie in einem Tal zwischen Felsen, was ihr einen gewissen Schutz gewährt. Am leichtesten zugänglich ist sie über den so genannten Siq«, erklärte er weiter und deutete auf einen Punkt im Südwesten der Karte, »eine tiefe Felsschlucht, die direkt ins Herz der Stadt führt und vor dem bedeutendsten Tempel endet, dem Khazneh . Hier. Aber unter den gegebenen Umständen ist es unmöglich, über den Siq hineinzugelangen. Wir wären dem Angriff der Terroristen schutzlos ausgeliefert, falls sie Wachen auf dem Khazneh postiert haben. Sie würden uns sofort entdecken, und wir säßen in einer tödlichen Falle, weil wir keine Deckung hätten.«
»Was ist dann der beste Zugang?«, fragte Kamal ungeduldig.
Der Jordanier verließ das Zelt und kehrte gleich darauf in Begleitung eines Beduinen zurück.
»Amirs Stamm lebt seit Jahrhunderten in diesem Teil des Landes und gehört zu den wenigen, die sich in Petra auskennen. Er sagt, dass er uns auf einem anderen Weg in die Stadt führen kann, der allerdings riskanter ist, weil wir über die Felswände müssen.«
»Sehr gut«, bemerkte der saudische Agent. »Wenn Petra in einem Tal liegt, wie Sie sagen, werden wir von dort einen strategisch besseren Überblick haben.«
»Wir kommen von Osten«, fuhr der jordanische Soldat fort, »aus Richtung Ed-Deir , einem ähnlichen Tempel wie dem Khazneh , und nähern uns der Stadt von oben. Wenn es stimmt, dass sich Abu Bakr in Petra aufhält, wird er Leute haben, die den Ort bewachen. Wir haben vor, eine Wache zu überwältigen, damit sie uns zu ihm führt. Petra ist berühmt für seine unterirdischen Verstecke und Labyrinthe, und ohne jemanden, der uns den Weg weist, werden wir Abu Bakr und das Mädchen niemals finden. Uns bleiben nicht mehr viele Stunden Tageslicht. Wir müssen los. Sie und Ihr französischer Freund können hier im Camp auf uns warten, Hoheit.«
»Oberst, ich habe nicht vor, hierzubleiben, sondern werde bei der Aktion dabei sein. Und lassen Sie uns keine Zeit damit verschwenden, über diesen Punkt zu diskutieren; es ist sinnlos«, erklärte Kamal und steckte das Messer und seine Magnum in den Gürtel.
Der Jordanier nahm Haltung an und verließ rasch das Zelt.
»Ich komme auch mit«, verkündete Méchin.
»Nein«, sagte Kamal.
»Ich bin für dich verantwortlich, seit du ein kleiner Junge warst, und ich habe nicht vor, dich in einem der gefährlichsten Momente deines Lebens allein zu lassen. Außerdem bin ich noch gut in Form – oder hast du vergessen, dass ich einmal einer der besten Soldaten deines Vaters war?«
Bis kurz vor Petra bestritten sie den Weg auf Pferden reitend. Die Jeeps ließen sie stehen, um sich nicht durch Motorengeräusche zu verraten. Sie waren eine Gruppe von zwanzig schwerbewaffneten Männern, die schweigend und argwöhnisch ihre Umgebung beäugten. Kamal fühlte sich besser – wenigstens unternahm er jetzt etwas. Die endlosen Stunden in Mauricios Büro hatten ihm arg zugesetzt. Jetzt ritt er im Galopp an die Spitze der Gruppe. Er vibrierte vor Anspannung. ›Entweder ich bekomme sie lebend wieder, oder das hier ist das Letzte, was ich mache‹, schwor er sich. Sie ritten, bis sie die Oase Al-Matarra erreichten, die ihren Namen von dem wadi hatte, das durch sie hindurchfloss.
»Wir lassen die Pferde hier zurück und gehen zu Fuß weiter zu den Felsen«, erklärte der Jordanier. »In einer halben Stunden sind wir da.«
An diesem Punkt der Mission übernahm Amir, der ortskundige Beduine, die Führung. Am Fuß der Felsen sicherten sie Gewehre und Messer und begannen mit dem Aufstieg,
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