Was deine Augen sagen: Roman (German Edition)
ein paar Münzen in die Hand und schickte ihn weg. Bevor sie die Akte an den Botschafter weitergab, blätterte sie sie aufmerksam durch, ohne jedoch einen triftigen Grund für die Ablehnung zu finden. Es waren nur ein paar Schreiben auf Arabisch mit dem Wappen mit der Palme und den gekreuzten Krummsäbeln im Briefkopf, die zwischen Aldos Unterlagen geheftet waren, und zum Schluss eine Mitteilung auf Französisch an den Botschafter, unterzeichnet von Jalud bin Malsac, in der dieser erklärte, dass einer Einreise des argentinischen Staatsbürgers Aldo Martínez nicht stattgegeben werden könne, da das Kontingent für Ausländer für 1961 bereits ausgeschöpft sei. Sie schloss die Mappe und ging zu Mauricios Büro, während sie sich fragte, was sie empfand. Einerseits Erleichterung, obwohl sie Aldo im Grunde gerne wiedergesehen hätte, weit weg von allem. Sie malte sich einige Tage alleine in Riad aus, am anderen Ende der Welt, ohne Dolores oder Señora Celia im Hintergrund, ohne das bedrückende Schuldgefühl, einen verheirateten Mann zu lieben, der sie darüber hinaus feige verraten hatte. Das alles würde in Riad nicht zählen. Aldo wäre kein Feigling und sie keine verkommene Frau, sondern sie wären einfach nur die Verliebten aus Arroyo Seco.
Der rote Stempel mit dem »Abgelehnt« brachte sie auf den Boden der Tatsachen zurück.
10. Kapitel
An eine Marmorsäule gelehnt, ließ Francesca den Blick durch den Salon der französischen Botschaft schweifen. Die wunderbaren Rokokofresken an den Decken fielen ihr besonders ins Auge, außerdem die vergoldeten Gesimse, die drei riesigen Kronleuchter und die hohen Fensterflügel mit den schweren Samtvorhängen, die weit geöffnet waren und kühle Nachtluft hereinließen. Das Büfett in einer Ecke bog sich fast unter den vielen Speisen: gebratener Fasan, gefüllter Truthahn, Salate, Kaviar, Königskrabben, Langustinen und eine große Auswahl an Saucen. Die Kellner reichten Champagner im Überfluss, obwohl auch einige Araber anwesend waren. Dutzende Paare tanzten in der Mitte des Raumes, umringt von Grüppchen, die, in angeregte Gespräche vertieft, aßen und tranken. Der Neujahrsempfang des französischen Botschafters war ein voller Erfolg.
Trotzdem fühlte sich Francesca unwohl. Sie fragte sich, warum Mauricio sie eingeladen hatte mitzukommen, wenn er doch nur die ganze Zeit mit ein paar europäischen Diplomaten über Politik sprach. Sie fand es unhöflich, dass er sie einfach so stehenließ. Sie hatte schon Le Bon und seine Tochter Valerie begrüßt, die ganz wundervoll aussah in ihrem silberfarbenen Lamékleid, außerdem Méchin, der ihr schlichtes Kleid lobte, das Onkel Fredo ihr zum Abschlussball geschenkt hatte, und Ahmed Yamani, den jungen Bekannten von Prinz Kamal, der vor einiger Zeit an dem Abendessen in der argentinischen Botschaft teilgenommen hatte. Niemand erwähnte den Prinzen al-Saud, und sie fragte auch nicht nach ihm. Seit dem Zwischenfall auf dem Bazar vor zwei Wochen hatte sie nichts mehr von ihm gehört. Vielleicht war er in Europa oder in den USA unterwegs, wo er stets mit allerlei Angelegenheiten beschäftigt war. Wie konnte sie glauben, dass ein Mann wie er, ein Prinz aus einer Herrscherfamilie, der ein Großteil der weltweiten Erdölvorkommen gehörte, ein Mann, der in den erlauchtesten und vornehmsten Salons Europas verkehrte, an eine einfache Botschaftssekretärin denken würde, die nicht einmal wusste, wie man sich auf dem Bazar von Riad zu verhalten hatte?
Nachdem Valerie Le Bon und ihr Vater sich entschuldigt hatten, um Bekannte zu begrüßen, und Yamani sich zu einer Gruppe Franzosen gesellte, blieb sie allein mit Jacques Méchin zurück, der sie prompt um den nächsten Tanz bat. Francesca hob leicht das Kleid an, damit er sehen konnte, dass ihr Fuß noch bandagiert war.
»Oh, natürlich! Entschuldigen Sie, Mademoiselle, ich hatte das mit Ihrem Fuß ganz vergessen. Kommen Sie, setzen wir uns hierher, da haben wir eine phantastische Sicht auf die Tanzfläche. Haben Sie denn noch Schmerzen?«, erkundigte er sich.
»Nein, ich spüre fast nichts mehr, aber ich will es nicht herausfordern. Dr. al-Zaki hat mir gesagt, ich soll den Verband vorsichtshalber noch ein paar Tage länger tragen.«
Méchin schwieg. Francesca merkte, dass er den Vorfall auf dem Bazar ansprechen wollte, aber er ließ es bleiben, vielleicht, um nicht sagen zu müssen, was er in Wahrheit von so manchen arabischen Gebräuchen hielt.
»Weshalb leben Sie in Arabien,
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