Was deine Blicke mir versprechen
ich noch sehr jung war. Zwei waren um einiges älter und gingen, als ich sechs war; als die beiden anderen das Kloster verließen, war ich acht.«
»Kamen danach keine anderen Kinder mehr?«
»Nein. Die Äbtissin hatte die Kinder nur aufgenommen, weil sie Geld für das Kloster brauchte. Aber Vater bezahlte sie so gut, dass das nicht mehr nötig war.«
»Habt Ihr die Kinder vermisst, als sie fortgingen?«
»Nein. Ich habe nicht viel von ihnen gesehen. Ich war jünger und sie ...« Rosamunde brach plötzlich ab, was Aries Neugier erweckte.«
»Sie ... was?«
»Sie schienen mich nicht besonders zu mögen«, erklärte sie zögernd, woraufhin Arie die Stirn runzelte. Ältere Kinder geben sich zwar selten gern mit Jüngeren ab, dennoch hatte er das Gefühl, es steckte mehr dahinter.
»Warum glaubt Ihr, dass sie Euch nicht mochten?«, fragte er behutsam.
Er herrschte Stille, man hörte nur die nächtlichen Geräusche des Waldes. Dann seufzte sie. »Schwester Eustice sagte, es käme daher, weil ich nicht geschlagen wurde. Ich habe mich nie über das grauenvolle Essen beschwert, wenn sie meinen Teller austauschten, und keiner von den anderen wusste etwas von den kalten Bädern und der Putzarbeit. Sie dachten, ich würde bevorzugt behandelt und haben es mir verübelt.« Es platschte im Wasser, dann fuhr sie trotzig fort: »Ich war richtig froh, als die letzten beiden verschwanden. Danach fing ich an, mit Schwester Eustice in den Ställen zu arbeiten.«
Arie runzelte die Stirn. Es hörte sich an, als habe sie ein ziemlich einsames Leben geführt.
Weiteres Stöhnen und Keuchen ließ Arie vermuten, dass sie weiter in den Fluss hineingegangen war, und er warf einen verstohlenen Blick über die Schulter, um zu sehen, wo sie sieh befand. Sie stand jetzt bis zum Hals im Wasser, und er konnte nur ihren Hinterkopf sehen. Plötzlich tauchte sie ganz unter. Einen Augenblick später kam sie keuchend wieder hoch, und drehte sich mit geöffnetem Mund zu ihm herum. Rosamunde starrte ihn an. »Ihr guckt, Mylord!«
»Ihr habt aufgehört zu sprechen«, murmelte er freundlich und wandte ihr wieder den Rücken zu.
Nach einer kurzen Pause fragte Rosamunde: »Wann werden wir Goodhall erreichen?«
»In einer Woche, vielleicht einen Tag früher oder später.«
»Eine Woche.«
Neben den Geräuschen des Wassers war ein Seufzen nicht zu überhören. »Habt Ihr es gesehen? Wisst Ihr, wie es aussieht?«
»Nein.«
»Ich bin sicher, es ist wunderschön. Vater würde uns nicht in eine elende Hütte verbannen ... oder?«
Die Verunsicherung in ihrer Stimme überraschte ihn. War sie denn nicht überzeugt von der Liebe dieses Mannes zu ihr? Es schien ihm selbstverständlich, ihr jedoch offensichtlich nicht. »Nein. Ich bin auch sicher, dass es wunderschön ist.«
Sie schwieg einen Augenblick und fragte dann: »Wie war Eure Kindheit? Ihr sagtet, Ihr hättet einen Bruder und zwei Schwestern. Wie sind sie?«
Während sie diese Frage stellte, schaute Rosamunde neugierig zu Arie hinüber und bemerkte, dass sich sein Rücken plötzlich straffte, er schien förmlich zu wachsen. Als er zu sprechen begann, klang seine Stimme so kühl wie das Wasser im Fluss.
»Beeilt Euch und kommt heraus! Wir sollten zum Lager zurückkehren!«
Rosamunde zögerte einen Moment und machte sich dann nachdenklich auf den Weg zum Flussufer. Dort angekommen, zog sie sich schnell an. Die Angelegenheit war mysteriös. Ihrem Mann hatte die Frage nach seiner Kindheit überhaupt nicht gefallen. War sie schlecht gewesen oder wollte er ihr nur nicht davon erzählen?
Sie würde es schon herausfinden, entschied sie entschlossen.
Rosamunde rutschte unruhig auf ihrem Pferd herum und schaute hoffnungsvoll auf den Rücken ihres Mannes. Sie konnte jedoch kein Anzeichen entdecken, dass er schon bald Rast für die Nacht machen würde. Das war wirklich sehr unangenehm für sie, denn sie hatte ein dringendes Bedürfnis.
Unbehaglich blickte sie auf die Landschaft, die sie umgab und seufzte. Nachdem sie jetzt eine Woche unterwegs waren, schien alles gleich auszusehen. Sie sah dieselben Bäume, dasselbe Gras, denselben Fluss, dieselben Lichtungen. Man könnte fast annehmen, sie seien in Kreisen geritten. In schmerzhaften Kreisen. Nach einer Woche zu Pferde kam es ihr vor, als sei ihre Kehrseite mit Blasen übersät. Nachdem Rosamunde das Ganze erst als ein großes Abenteuer empfunden hatte, war ihr inzwischen klar geworden, dass es ihr besser gefiel, Pferde zu verarzten, anstatt sie zu
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